Page - 242 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Volume 3
Image of the Page - 242 -
Text of the Page - 242 -
242
doch auch die Thatkraft, welche eifersüchtig über die in seinen Händen ruhenden Herrscher-
befngnisse wachte, allen Sonderbestrebungen, woher sie auch immer kommen mochte»,
energisch entgegentrat und die Einheit des Staates immerdar festhielt. Und dazu gesellte
sich endlich jenes strenge Rechtsgefühl, das in dem schönen Wahlspruche des Kaisers.
seinen Ausdruck und in dem bürgerlichen Gesetzbuche Österreichs (1811) eiu bleibendes
Denkmal fand, seine Sorge für die materielle Cultur, wie sie sich namentlich in der
Gründnng polytechnischer Institute und in der Eröffnung nener Verkehrswege äußerte,
sowie das hohe Ansehen, das nunmehr der Staat wieder nach außen hin genoß, so daß
man die allgemeine und aufrichtige Trauer begreift, welche der Tod des Kaisers
(24. Februar 1835) hervorrief.
Übrigens hatte noch der alternde Kaiser die erste Erschütterung eines Systems
erlebt, durch das sein Staatskanzler alles Geschehende auf eine einzige Formel zurückführeil
zu können vermeinte. Im Osten wie im Westen des Welttheiles traten Ereignisse ein,
welche die Auflösung der europäischen Pentarchie zur Folge hatten, die Westmächte von den
drei Ostmächten trennten, das Verhältniß Österreichs zu Rußland lockerten und Metternichs
Theorie in Widerspruch mit unabänderlichen Thatsachen setzten.
Im Osten war es die „orientalische Frage", welche sich als die Achillesferse des
Metternich'schen Systems erwies. Der Name Österreich selbst, seine centrale Stellung
sowie die Richtung des mächtigen Stromes, an dem es im Laufe der Zeit hinauf- uud
hinabgewachsen war, deuteten auf die Mission des Staates, abendländische Enltnr an die
Gestade der unteren Donau zu tragen. Erst kürzlich noch hatte Erzherzog Karl während
des serbischen Aufstandes auf diese Bedeutung des Orients für Österreich hingewiesen,
ohne daß es ihm indessen gelungen wäre, für seine Ansicht in den maßgebenden Kreisen
Propaganda zu machen. So konnte es geschehen, daß die Moldau und Walachei, ja sogar
Serbien allmälig von Rußland, dem sie ihre erworbene Stellung verdankten, abhängig
wurden, und daß der Einfluß des glaubeusverwaudten Czaren über Länder herrschte, welche
dnrch ihre Lage eigentlich in die Interessensphäre Österreichs gehörten. Dem gegenüber
war es geradezu verhängnißvoll, daß Metternich auch diese Fragen nur von dem Stand-
punkte jener konservativen Interessen behandelte, die hier die erste empfindliche Niederlage
erleiden sollten, daß er die griechischen Hetärien mit den Earbonari auf eine Linie stellte,
und daß er über die an sich wohlbegründete Sorge für die Erhaltung der Türkei die
Frage, ob denn auch die asiatische Barbarei gegenüber der christlichen Cultur auf die
Dauer zu behaupten sei, außer Betracht ließ. Das Resultat war die Jsolirung Österreichs,
während die Westmächte und Rußland den Dank der befreiten Griechen ernteten und selbst
an der Pforte seit dem Frieden von Adrianopel der russische Einfluß jede» anderen überwog,
ja seit dem Vertrage von Unkiar Skelessi sich bis zu einer Art Schutzherrlichkeit steigerte.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil, Volume 3
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, 1. Abteilung: Geschichtlicher Teil
- Volume
- 3
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1887
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.64 x 22.39 cm
- Pages
- 278
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch