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Cardinal Gentilis langte im Herbste 1308 in Ungarn an und eröffnete, nachdem er
die mächtigsten Großen und selbst Matthäus Csäk für Karl gewonnen hatte, den zur
Königswahl bestimmten Reichstag, welcher von den Ständen in Pest am Donau-Ufer
unter freiem Himmel abgehalten wurde. Indem er sich in seiner lateinischen Rede darauf
berief, daß König Stefan die heilige Krone von Rom empfangen habe, begann er zu
entwickeln, daß nach dem Aussterben des Ärpädengeschlechtes nur noch der Papst das Recht
haben könne, über die Krone Ungarns zu verfügen. Hiergegen aber verwahrten sich die
Stände unter demonstrativem Lärmen und riefen, um ihr freies Wahlrecht thatsächlich
zur Geltung zu bringen, Karl einstimmig zum König aus.
Der Cardinal mochte es nicht für rathsam halten, die Berechtigung der geschehenen
Wahl zu bestreikn und so die Sache auf die Spitze zu treiben; er bestätigte die Wahl im
Namen des heiligen Stuhles. Karl wurde hierauf von den Versammelten nach alter Sitte
unter stürmischen Freuderufen auf die Schultern gehoben (27. November 1308).
Da sich die Krone in den Händen des siebenbürgischen Wojwoden Ladislans befand,
belegte Cardinal Gentilis in einem nach der Königswahl zu Ofen abgehaltenen, auf
die Befestigung der königlichen Macht und Autorität abzielenden Staatsrathe die vor-
enthaltene Krone mit dem kirchlichen Banne, solange sie nicht ausgeliefert würde, und
ordnete an, daß eine neue Krone angefertigt werde, welche von König und Nation als
die wahre, gesetzliche Krone anerkannt werden müsse. Mit dieser wurde sodann die
Krönung Karls in Anwesenheit des Cardinals und der Reichsgroßen in der Ofener Burg
in der Kirche der Jungfrau Maria vollzogen (15. Juni 1309).
Weder der Beschluß der Ofener Versammlung, noch die Banndrohung der im
November 1309 in Preßburg abgehaltenen Synode waren von der geringsten Wirkung
auf die Magnaten, welche sich mit Gewalt der Krongüter bemächtigten, und vermochten
auch nicht die Wirren im Lande zu beendigen. Die Nation, sowie der Clerns erwarteten
nur von der Zauberkraft der Krone des heiligen Stefan die Wiederherstellung der Herr-
schaft des Rechtes und des Gesetzes.
Der Cardinal versuchte den Wojwoden Ladislans durch Verhängung des Bann-
fluches zur Zurückstellung der Krone zu zwingen (25. December 1309), jedoch blieb sein
Befehl und selbst das über Siebenbürgen ausgesprochene Jnterdict ohne Erfolg. Endlich
bewogen der Graner Erzbifchof Thomas, der Palatin Omode und noch einige Magnaten,
die mit dem Wojwoden in Szegedin zusammenkamen, diesen letzteren dazu, daß er die
Krone herausgab und sich zur Huldigung vor dem Könige verpflichtete. Mit der solcher-
maßen zurückgewonnenen Krone wurde König Karl zum letzten Male, nachdem er auf dein
durch den Palatin Omode im Räkosfelde znsammenbernsenen Reichstage noch einmal zum
König ausgerufen worden war, in Stuhlweißenburg gesetzlich gekrönt (27. August 1310).
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, Ungarn (1), Volume 5
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, Ungarn (1)
- Volume
- 5
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.41 x 22.5 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch