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zu vereinigen, welche heute lehrten und jegliche Wissenschaft pflegten, morgen aber das
Buch niederlegten und nach Osten und Westen gingen, um sich zu mühen, zu leiden und
wenn es sein mußte, zu sterben im Interesse der katholischen Religion. In Tyrnan erwarben
sie ein Haus (1561). Als aber nach sechs Jahren das Hans sammt der Stadt abbrannte
und sich Niemand fand, der es wieder aufrichtete, nahmen die Jesuiten den Wanderstab
in die Hand und verließen das Land, in welchem sogar sie zu jener Zeit noch nicht durch-
dringen konnten.
Das alte Ungarn, in welchem zur Freude des armen Stesan Verböczy noch vor der
Mohäcser Schlacht der Gesetzartikel: „I^utkeram comburantur" geschaffen wurde, hatte
also aufgehört zu bestehen. Aber auch die politische Lage war eine ganz andere geworden,
als diejenige war, in welcher Verböczy das Land gesehen und die er ihr gewünscht hatte.
Ferdinand und seine Nachfolger waren nicht solche ungarische Könige wie Albrecht,
Ladislans V. oder die Jagellonen, deren Hauptreich damals Ungarn gewesen war. Ungarn
war kaum noch ein Land, es war nur ein kleines Stück Boden, „ein Fetzen", wie man
damals sagte, der durch die Fluten der türkischen Eroberung fortwährend auf engeren
Raum zurückgedrängt wurde; es war sozusagen nur noch eine Festung oder vielmehr
ein Glacis, welches den schrecklichen, unerbittlichen Feind von den Erbländern, von
Deutschlaud und Böhmen fernhielt, welches seine Söhne mit Vergießung ihres Herzblutes
vertheidigten, dessen Erhaltung aber auch im Interesse der Nachbarn lag. Diese Letzteren
gaben daher, soviel eben anging, an Geld und Soldaten zur Vertheidigung der ungarischen
Festungen her. Aber die Soldaten waren Fremde, standen unter fremden Officieren und
dem kaiserlichen Hofkriegsrath, der im Hinblick auf die Nothwendigkeit einheitlicher
Vertheidigung seine Macht auch auf die ungarischen Truppen erstreckte. Auch die kaiserliche
Schatzkammer, welche das Geld hergab, mischte sich in Vieles. Die cardinalsten Rechte des
Landes feierten. Das Recht der freien Königswahl wurde bei jedem Thronwechsel in
Frage gestellt, doch wurde es erhalten. Dagegen wnrde die Palatinswürde seit dem Tode
des „krummen" Bäthory (1530) 24 Jahre lang nicht besetzt und nach dem Tode seines
Nachfolgers Thomas Nädasdy (1554 bis 1562) regierten abermals 44 Jahre lang
ernannte königliche Statthalter — Kirchenfürsten — statt der durch die Nation gewählten
Palatine, unter ihnen Georg Draskovich, Cardinal-Erzbischos von Kalocsa (1585 bis
1587), Neffe des Frater Georg, ungarischer Schriftsteller, der die ungarische Kirche beim
Tridentiner Concil vertrat und auf dessen Rath Rudolf (1576 bis 1608), Nachfolger des
Königs Maximilian, die Jesuiten abermals ins Land rief (1586).
Ein noch größeres Übel für Ungarn als diese Verfassungsverletzungen waren die
fortwährenden Raubzüge der Türken, welche sich stetig, wenn auch im geringen Maße, aus-
breiteten. Das Land hatte dem Sultan nicht wie Siebenbürgen gehuldigt. Aber Ferdinand
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, Ungarn (1), Volume 5
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, Ungarn (1)
- Volume
- 5
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.41 x 22.5 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch