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Majestät den Reichstag einberufen, nnd die Räthe der ungarischen Hofkanzlei anerkannten
vor Josef II., daß die Comitate im Sinne des Gesetzes dazu vollkommen berechtigt wären.
Auch Hofkanzlei und Statthaltereirath sahen übereinstimmend in der Einberufung des
Reichstages den einzigen Ausweg. Josef gab endlich nach. Der 1788er Feldzug, au welchem
er persönlich theilnahm, hatte seine Gesundheit gebrochen, auch seine Seele war schon
ermüdet. Er fühlte, daß er ohnedies keine Znknnft mehr habe, und war geneigter von
seinen Plänen abzugehen, die er ja uicht mehr ausführen und Jenen, zu deren Bestem sie
bestimmt waren, die aber davon nicht einmal hören wollten, nicht aufzwingen konnte.
Er erließ demnach (am 18. December 1789) eine Verordnung in ungarischer und
deutscher Sprache, in welcher er die Zusammenberusung des Reichstages versprach, wenn
der Krieg zu Ende gehen würde, doch machte diese Erklärnng nicht den gewünschten
Eindruck. In den Eomitaten brach die Unzufriedenheit ohne Unterschied der Parteien los.
Man forderte den Reichstag, die sofortige Wiederherstellung des gesetzmäßigen Zustandes.
Au viele» Orten wurde der legale Zustand eigenmächtig wiederhergestellt, die ernannten
Beamten abgesetzt, die Eonseriptionen vernichtet. Da gab Josef, der sich schon am Rande
des Grabes befand, vollständig nach. Er zog alle Verordnungen zurück mit Ausuahme
derjenigen, welche er im Interesse der Toleranz, in Bezug auf die Verhältnisse der Hörigen
und auf die Regelung der Pfarren als oberster Kirchenpatron erlassen hatte. Er verkündete,
daß am 1. Mai 1790 Alles in denselben Zustand zurückkehren werde, in welchem es zur
Zeit des Todes der Kaiserin Maria Theresia war, und versprach, daß er im Laufe des
Jahres 1791 den Reichstag zusammenberufen, sich krönen lassen nnd ein Jnangnraldiplom
erlassen werde (am 28. Jänner 1790). Einige Tage später sandte er anch die heilige Krone
ins Land zurück, welche er damals, als er die Umgestaltung der ungarischen Verwaltung
in Angriff nahm (am 13. April 1784), der wiederholten ängstlichen Einsprache seiner
ungarischen Räthe zum Trotze aus dem Lande wegführen und zu den ähnlichen Kleinodien
seiner anderen Länder in die kaiserliche Schätzkammer hatte aufnehmen lassen. Die Nation
begrüßte mit jauchzender Begeisterung das Symbol ihrer Selbständigkeit, welches in einem
eigenen sechsspännigen Wagen die Kronhüter Graf Josef Keglevich und Graf Michael
Nädasdy mit einigen ungarischen Garden ins Land brachten. Banderien, Glockengeläute,
Kanonendonner, brausende Rufe: „hoch lebe die ungarische Freiheit" empfingen und
geleiteten das Kleinod über Kittsee, Raab, Gran bis in das Ofener Königsschloß. Als die
Krone dorthin gelangte (am 21. Februar 1790), lag Josef in Wien schon auf der Bahre.
Die Zurückziehung seiner Verordnungen vermochte die Gemüther nicht sofort zu
beschwichtigen. Die Unzufriedenheit wnrde auch durch ausländischen Einfluß geschürt, das
ganze Land war in Gährnng. Der bis dahin so ruhige Ungar des XVIII. Jahrhunderts
gerieth auf eiumal ganz außer sich. Angesichts der Germanisations- und Eentralisations-
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, Ungarn (1), Volume 5
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, Ungarn (1)
- Volume
- 5
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.41 x 22.5 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch