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Sitzung nur solche Gesetze schaffen zu wollen, welche den Rechten und der Würde des
freien uud uuabhäugigen Ungarn entsprächen, und ohne Zustimmung des Reichstages
weder Ämter noch Würden, weder Geschenke noch Belohnungen oder hieraus abzielende
Versprechungen unter irgend einem Vorwande von irgend Jemandem anzunehmen. Die
Debatten waren lebhaft, die Ausfälle heftig. Endlich siegte doch die Besonnenheit, welche
in der Weisheit Leopolds II. eine starke Stütze fand, der im Jnanguraldiplom (Kröuuugs-
nrknnde) zwar keine neuen Concessionen machte, aber die bestehende ungarische Verfassung
vollständig, ohne Vorbehalt anerkannte.
Die Krönung, welche am 15. November in Preßburg stattfand, besiegelte den Bund
zwischen Ungarn und seinem König. Die Gesetze, welche dnrch Nation nnd König während
dieses Reichstages geschaffen wurden, machten in vielen Beziehungen Epoche. Leopold
erkannte an, daß Ungarn ein freies und unabhängiges, keinen« anderen Lande unterworfenes
Reich sei und nur dnrch seine selbst geschaffenen, von dem gekrönten König sanctionirten
Gesetze zu regieren sei. Die Nation hinwiederum aeceptirte und sanctionirte in der üblichen
gesetzmäßigen Form alles dasjenige, was Maria Theresia nnd noch mehr Josef II. in
formell zwar anfechtbarer Weise, doch zum Besten des Landes, den Forderungen der Zeit
gemäß geschaffen hatten. Man inartienlirte — nicht ohne heftige, selbst leidenschaftliche
Debatten, in welchen die Regierung gegen die katholischen Zeloten deu liberale» Stand-
punkt einnahm — die vollständige Religionsfreiheit der Protestanten. Man anerkannte
provisorisch, als Factum, und verbesserte das Urbarium Maria Theresias, mau sanctionirte,
ältere Gesetze erneuernd, die Freizügigkeit der Hörigen. Auch die Angelegenheit der uicht-
nnirten Griechen — meist Serben — fand ihre legislative Erledigung. Die Serben hielten
im Verlaufe des Jahres 1790 einen Nationalcongreß in Temesvär ab und forderten das
Temescher Banat als besonderen District für fich. Leopold II. fand es für gut, eine eigene
illyrische Kanzlei für ihre Angelegenheiten zu errichten (am 2l. Februar 1791), welche
gewissermaßen eine Fortsetzung der durch Maria Theresia aufgehobene» Doputnli»
Illxrica bildete. Die »»garische Legislative sprach durch den Gesetzartikel XXVIII: 1791
in klarer Weise die Gleichberechtigung der nicht»«irte» Grieche» i» Bezug auf Besitzrecht
u»d Bekleidung von Ämtern aus. Der nach dem frühen Tode Leopolds II. (1. März 1792)
einberufene Krönungsreichstag des Königs Franz räumte zudem auch ihreu Bischöfen
Sitze im Reichstage ein; die illyrische Hofkanzlei dagegen wurde aufgehoben (Gesetz-
artikel X - 1792).
Es gab, wie dies auch im 1790er Reichstage kuud wurde, Viele im Lande, die selbst
die Neuerungen Maria Theresias mißbilligten und unter dem Vorwande strengster
Legalität am liebsten die alten Zustände in Allem wiederhergestellt gesehen hätten oder
doch jede weitere Neuerung verhindern wollten. Die große Mehrheit wich jedoch von
Ungarn I. 17
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, Ungarn (1), Volume 5
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, Ungarn (1)
- Volume
- 5
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.41 x 22.5 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch