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der Benennung von Personen stets den Familiennamen (beziehungsweise das Adels-
prädieat) zuerst und den Taufnamen zuletzt setzen, das heißt, daß wir sagen: Sarväri
8?ecker>xi Istvän und nicht auf arische Weise: Ltepkanus Läi vür. Die
Ursache davon ist sehr einfach. Der magyarische Verstand geht bei der Betrachtuug immer
vom Äußeren aus und schreitet zum Inneren, zum Wesen vor; daher ist es im
Magyarischen Grundprincip, daß das Epitheton gewöhnlich dem Worte, das es näher
bestimmt, voransteht. Deshalb setzt man auch bei den Benennungen von Personen den
Familiennamen als Bestimmungswort dem Taufnamen, als dem zu Bestimmenden, voraus.
Und diese Sprache, die ein so seltenes Interesse darbietet, hat sich hauptsächlich im
Laufe des gegenwärtigen Jahrhunderts bereits auf eine so hohe Bildungsstufe erhoben, daß
es keinen Gedanken und keine Empfindung, weder eine Wissenschaft, noch eine Knnst gibt,
die man magyarisch nicht entsprechend, ja elegant verdolmetschen könnte. Der thätige
Eifer der zahlreichen wissenschaftlichen Vereine, die Wirksamkeit der Zeitungs- und
Fachliteratur nach tausend Richtungen, die gefeierte Schar unserer großen, auch im
Auslande gewürdigten Dichter, die Kanzel, die Schule, kurz jeder Factor des geistigen
Lebens wirkt begeistert mit, nicht nur an der Bereicherung der nationalen Sprache,
sondern auch an der fortwährenden Verfeinerung der Sprache, welche übrigens, was ihr
Wortschatz und die Macht ihres Kunststils vermögen, schon durch die eine Thatsache
glänzend beweist, daß Shakespeare, Mokiere, Aristophaues u. s. w. vollständig, und
zwar in ebenso treuer als poetischer Übersetzung ins Magyarische verpflanzt sind.
Bei alledem hat, wie die Nation selbst, auch ihre Sprache mancherlei Fährlichkeiten
überstanden. Besonders schlecht erging es ihr im XVIII. Jahrhundert, als das nationale
Bewußtsein, zumal bei den gebildeten Ständen, in eine Ohnmacht verfallen war,
welche fast dem Tode gleichkam. Der größte Theil des Hochadels huldigte der Mode
einer fremden Bildung; der niedere Adel aber und die im allgemeinen sogenannte
Honoratiorenclasse betrachteten die lateinische Sprache als den würdigsten Dolmetsch der
Bildung und benützteu sie häufig sogar im Alltagsgespräch. So wurde jene Sprache,
welche im XVI. und ganz besonders im XVII. Jahrhundert sich schon einer wirklich
glänzenden Literatur rühmen konnte, jetzt wieder zu einer bloßen Sprache des Volkes
und blieb das auch bis gegen das letzte Viertel des Jahrhunderts, wo auf die Zeit des
Verfalls plötzlich eine Wiedergeburt folgte, welche alles Versäumte nachzuholen bestrebt
war, so daß die magyarische Sprache, durch eine Schar von Dichtern, Schriftstellern und
Gelehrten in verhältnißmäßig kurzer Zeit zu neuem und glänzendem Leben erweckt, schon
in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts ihreu siegreichen Einzug auf alle Gebiete des
privaten und öffentlichen Lebens hielt, ja seit 1847 sogar in den Königshallen ein
danerndes Heim gefuudeu hat.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, Ungarn (1), Volume 5
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, Ungarn (1)
- Volume
- 5
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.41 x 22.5 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch