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erwiderte dieser, aber nicht umsonst. Sie bezahlten ihn mit Gold. Auch das wollte er
erst bar auf seiner Hand sehen. „Nnn denn," sagte er sodann, „mein erster Spruch
bedeutet: solange ich jnug war, lag das „Ferue" für meine Augen am Sehkreis: jetzt aber
sehe ich nur bis zu den Hörnern meiner Ochsen, dort ist schon das Ferne." — „Nun,
und das Zweite: sind die Zweiunddreißig noch immer Zwölf?" Auch dafür mußten die
Herren im vorhinein zahlen. „Das ist nämlich so: einst hatte ich zweiunddreißig Zähne,
jetzt aber nur uoch zwölf." Das hätten Jene wahrhaftig selbst errathen können. Nun folgt
aber das schwierigste Räthsel: wie kann man drei alte Geißböcke melken? Dafür mußten
die Herren gar bis an die Ellbogen in den Beutel greifen. „Wohlan denn, meine Herren,"
sagte der Baner, „genau so, wie ich jetzt Eure Gnaden gemolken habe." Und steckte das
Geld in seinen Gurtsack.
Der Anekdotenkreis des Königs Matthias bewegt sich meist um die Idee, daß der
König den ins Elend gerathenen geringen Lenten ans Kosten der reichen Prahlhänse zu
helfe« sucht. Darauf bezieht sich noch die Anekdote vom „Ofener Hundemarkt". Einem
Schafhirten hatten türkische Freibeuter seine ganze Herde weggetrieben; nichts war ihm
übrig geblieben als seine sechs Schäferhunde. Da faßte er sich ein Herz, wanderte hinauf
nach Ofen, um seiue Hunde dem Könige zn geben; dem sollten sie einstweilen seine Burg
hüten, er aber gedachte iu die „schwarze Schar" einzutreten und so den Türken seine
Schafe wieder abzunehmen. In Ofen angelangt, setzte er sich vorerst am Burgthor nieder
mit seinen sechs Schäferhunden. Dem Könige erzählten seine Palastleute die Geschichte des
armen Schafhirten, da schickte er alsogleich seine Hofherren hinab, damit sie dem armen
Manne für gutes Geld seine Hunde abkauften. Die vielen glänzenden, mächtigen Herren
steigerten sich die Schäferhunde förmlich an den Hals und der beraubte Hirt kehrte mit
vollem Beutel in sein Dorf zurück, wo er sich eine neue Herde kaufte. Dies erfuhr sein
habgieriger Nachbar und dachte sich: wenn man iu Ofen die Hnnde so gut bezahlt, will ich
eine ganze Hnndeherde hinauftreiben und noch reicher werden, als ich jetzt bin. So kaufte
er denn Alles zusammen, was in der ganzen Gegend an Haushunden, Schäferhunden,
Jagdhunden zu habeu war, und zog damit wohlgemuth hinan zur Ofener Burg. Dort aber
ließ man ihn nicht ein, sondern jagte ihn mit seiner Hundearmee nach Hause, und seitdem
ist das vielgebrauchte Sprichwort lebendig: „Nnr einmal ist in Ofen Hundemarkt gewesen".
Als die älteste Sammlung magyarischer Volksanekdoten mag eine im vorigen Jahr-
hundert erschienene gelten: ,Vi1üZ Lenexe nevets^es türteneti* (Lächerliche Geschichten
von Benedikt Viläg). Viel werthvoller als diese, weil durchaus originell, ist Anton
Szirmay's , l-Iun^aria in parakolis", von der man auch als charakteristisch vermerken
muß, daß der erzählende Text lateinisch und nur die Citate in magyarischer Sprache
abgefaßt sind. Eine handschriftliche Sammlung gab es jedoch schon früher; man begann
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, Ungarn (1), Volume 5
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, Ungarn (1)
- Volume
- 5
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.41 x 22.5 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch