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Frau, wenn sie sich sehen lassen will, barfuß geht und daß — sozusagen — ein negativer
Bestandtheil ihrer häuslichen Kleidung ein rein gehaltener, gesund gebauter Fuß ist. Auf
alle Fälle gibt es ganze große Bezirke, deren weibliche Jugend sich noch jetzt iu diesem
Vorzug gefällt, uud ihre angeblich ehemals im Schwange gewesene Sitte, die rothen
Stiefel auf der Kirchenschwelle beim Hineingehen an-, beim Heranskommen aber wieder
auszuziehen, deutet nicht auf Armut oder Geiz, sondern darauf, daß man die bloßen
Füße nicht nur nicht für unschicklich, souderu für an sich gefällig, ja für gesellschaftlich
vorgeschrieben hielt. Darauf deutet auch der Umstand, daß man, besonders beim Mädchen-
volk, die bloßen Füße nicht nur auf maigrünem Rasen, sondern selbst auf krachendem Eise
sieht. „Frisches Mädel, schönes Mädel", heißt es. Dermalen ist der rothe Stiefel schon
im Aussterben begriffen und an seine Stelle ist der theure Leder-, Atlas- oder Sammtschuh,
das Schnür-, Zug- und künstlich gesteppte Nähmaschinen-Stiefelchen, in der Grauer Gegend
sogar der hochrothe oder gold- und silbergestickte Pantoffel nebst Strumpf getreten.
Hand und Unterarm sind bei der Arbeit und überhaupt am Werktage stets
unbedeckt, an Feiertagen uud iu der Kirche aber desto sorgfältiger bekleidet. In den Städten
sind, bei Ärmelkleidern mit langer Taille, Handschuhe allgemein. In den Dörfern ersetzt
den Handschuh ein farbiges oder weißes Tuch, welches sorglich und nett über beide
unbeweglich darunter ruhende Arme gebreitet ist. In größeren Städten ist bei älteren
Personen der wohlhabenderen Classe der Muff allgemein; wie aber derselbe im Matyns-
laude zu einem im Sommer und Winter unerläßlichen Bestandtheile der weiblichen
Volkstracht geworden, das wäre wohl schwer ausfindig zu machen.
Das Haar wird bei den Mädchen in der Mitte gescheitelt, rückwärts an der Wurzel
in einen Knoten gebunden und fällt in einer oder zwei Flechten, mit breiter Bandschleife
geschmückt, zur Taille nieder; in Städten und größeren Ortschaften wird es in zwei
Partien geflochten, ja in der Umgebung der Hauptstadt sogar als Zopf aufgebunden. In
weitem Umkreise krönt die Stirne ein perlengestickter Jungfernkranz (pürtu) und läßt
farbige Bänder über Schläfe und Stirne herabfallen. Ohrgehänge trägt das ungarische
Mädchen aus dem Volke nur selten. Mit Ringen sind die Finger der städtischen Fraueu
bedeckt; auch in den Dörfern dürfen sie getragen werden, aber nicht aus Gold; silberne
Ringe werden geradezu verachtet und den Dienstmägden überlassen.
Die Hauben der Frauen sind in den verschiedenen Gegenden sehr verschieden. Es
gibt hochgethürmte Spitzenhauben und altungarische Krausenhauben; steife Hauben mit
Goldspitzen; eine halbe Hand breite Bandschleifen mit geringer Perlenverzierung; schwarze
kegelförmige steife Hauben; netz-, schleier-, weinblatt-, wecken-, nußschalen-, bretzelförmige
steife Hauben, welche letztere mittelst des durch ihren Rand gezogenen Bandes das
rückwärts zum Kuoteu gerollte Haar zusammenhalten. Bei Nagy-Sarlö findet sich ein
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Übersichtsband, Ungarn (1), Volume 5
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Übersichtsband, Ungarn (1)
- Volume
- 5
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1888
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.41 x 22.5 cm
- Pages
- 532
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch