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Differenzirung hat die Aussprache des l zur Folge, das im oberen Mühlviertel auch nach
Vocalen kräftig tönt, in den übrigen Gebieten aber vocalisirt wird. Dazu kommen mancherlei
lexikalische Unterschiede. Östlich von der Traun heißt „beiden" dem Käufer Credit geben, in
den westlichen Gauen heißt es warten und leihen. „Frad" heißt dort eine wunde Stelle,
hier auch ein Taugenichts. „Raad" ist in den östlichen Gebieten gleichbedeutend mit
Gereute, im Sauwald heißt es auch das zum Verkohlen bestimmte Holz, und der Köhler,
den man sonst Kohlenbrenner nennt, heißt dort Raadbrenner. Der Bauer um Peuerbach
nennt einen hitzigen Menschen „ehri", einen geschickten „g'firi", das Stiefelrohr „Bnling",
das Kornmandel „Bögl", den Dienstboten „Ehaldeu", den gährenden Brodteig „Kick", ein
kleines Hühnerei „Urigerl", ein junges Huhn „Singerl" — Wörter, die dem Trannviertler
völlig unbekannt sind. So ließe sich beispielsweise aus dem engbegrenzten Gebiet zwischen
der Mattig und dem Engelbach eine lange Reihe von Wörtern anführen, die in den
anderen Gebieten entweder ganz unbekannt sind oder doch eine andere Bedeutung haben.
Durchgreifender als die lexikalischen Verschiedenheiten sind die Abweichungen im Vocalismus,
da sich dieselben auf eine große Anzahl betonter Stammsilben erstrecken. Das lange o wird
in jedem Gau anders, selten aber o ausgesprochen. Östlich vom Hausruck bis gegen die
Enns und westlich von der großen Mühl hat es sich zu eo diphthougirt, man spricht also
greoß, reod, teod, Breod, Neoth, Reosen, Teod. Östlich von der großen Mühl hat sich o in
die nämlichen Laute aufgelöst, nur wechseln o und e die Stelle und die obigen Wörter lauten
groeß, roed, toed u. s. w. Dabei hat in beiden Fällen der erste Laut den Ton und o öffnet
sich nach a hin. Westlich vom Hausruck bis an den Inn ist o durch einen Diphthong
vertreten, den die Dialectorthographen dnrch on oder au zu bezeichnen geneigt sind, so daß
die obigen Wörter wie grouß, routh, toud oder gar grauß, rauth, taud lauten. Eine ähnliche
Mannigfaltigkeit zeigt das alte ei. Zwar ist dieser Laut im ganzen Gebiet vorherrschend,
im Traunkreis fast ausschließlich durch den an französisches oi erinnernden Diphthong öa
vertreten, doch erscheinen am Hansruck und im oberen Mühlviertel dafür beachtenswerthe
Varianten. In einer größeren Zahl von Wörtern hat sich der erste Theil dieses Doppellautes
zu einem dumpfen a gesenkt, dem ein deutliches i folgt, so iu Ai'a (Eiche), Maisn (Meise),
Waid (Viehweide), Haider (heiter), i haiß' (ich heiße). Vor m und n ist in den nämlichen
Gebieten für ei ein ni eingetreten, wobei m und n völlig verschwuudcu sind: Rni (Rain),
kni (keine), Stni (Stein), i wui (ich weine), i nun (ich meine), dahuit (daheim). Der
Vertreter des gemeindeutschen eu und des ie der Verba der U-Classe ist vom Hausruck bis
gegen die Enns io, in den übrigen Gebieten oi; man spricht also dort Tiofl (Teufel), hior
(Heuer), friof'n (frieren), gioß'n (gießen), hier aber Toifl, hoir, frois'n, goiß'n.
Von geringerer Bedeutung für die Charakteristik der Landessprache, weil auf engere
Grenzen beschränkt, doch aber als sprachgeschichtliche Kuriositäten erwähnenswerth, sind
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Oberösterreich und Salzburg, Volume 6
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Oberösterreich und Salzburg
- Volume
- 6
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1889
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 17.03 x 24.86 cm
- Pages
- 650
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch