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Gestaltung, dort wieder a», wo die Reihe begonnen hotte, beim Herrenhose, der im
XVII. Jahrhundert mit dem Edelhofe der karolingischen Zeit eine wahrhaft brüderliche
Verwandtschaft erkennen läßt.
Dieser Entwicklungsgang läßt sich in Steiermark znm größten Theile verfolgen nnd
wohl anch anderwärts. Seine Schöpfungen hängen genau zusammen, und immer ist das
Spätere der verfeinerte Erbe des Nächstvorangehenden, verfeinert, weil anch in jeder die
Fortschritte im Culturleben und die Gewinne des verbesserten Staatenwesens sich ablagerten.
Die Keime des Burgeuwesens liegen also iu vorgeschichtlicher Zeit beschlossen. Das
kann im Grnnde nicht auffallen, denn die Hauptbestandtheile uud Hauptmerkmale der
Burgen finden sich bereits in den rohen Wehranlagen der früheren Jahrhunderte: bei
diesen ist der Graben und Wall mit Pfahlwerk oder Flechtzaun, bei jenen der Graben
nnd die Mauer; da ist die von Holz gezimmerte Warte nnd dort der steinerne Berchsried,
sämmtlich Merkmale richtiger Wehranlagen und, wie man sieht, blos im Stoffe verschiede»,
im bezeichnenden Zwecke jedoch dieselben. Und ehe eine Bnrg fertig stand, ersetzte oft noch
lange der Pfahlzann die Ringmauer, und anders wieder hatte eine Bnrg oft schon letztere,
aber der Berchsried war noch vou Holz.
Als die Frauken um 800 im Lande zwischen Karst und Semering sich festsetzten,
fanden sie weder Burgeuaulageu vor, uoch brachte» sie das System solcher mit. Sie kannten
es selber nicht in ihrer neueu Heimat, in Frankreich. Was sie aber hier vorfanden, das
waren Ringwälle und ähnliche Schanzen der bodensässigen Wenden, welche nicht einmal
verstanden, die Überreste der römischen Steinbanten entsprechend auszubeuten. An den
zahlreichen slavischen Ortsnamen, welche die Worte xrack (Schanze, Gehege), owaiuka
(Verhau) und strafe (Warte) enthalten, erkennt man, daß in slavischer Zeit die Steier-
mark viele derlei Volkswehranlagen gezeigt haben muß. Zu diesen fügten die Franken
und die einwandernden Baiern ihre eigenen Sitze, die je nach der Stellung uud dem
Reichthum des Maunes mit den Mitteln und nach den Vorsichten der Zeit ausgestattet
wareu. Das hat man sich ungefähr so zu denken, wie einen Edelhof in dem weitest vor-
geschrittenen Lande germanischer Eroberung, in Frankreich: ein großer Ranm dnrch Wall
und Pfostenwerk abgegrenzt, inmitten, ebenfalls dnrch Graben geschützt, der hölzerne
Wartthurm, zugleich das Wohnhaus des Herrn oder ein gezimmertes Haus am Walle
selber uud im Hofe vertheilt die Hütten für die Knechte nnd Mägde, die Scheuern uud
Vorrathskamniern, die Stallungen und Backöfen, endlich bei Hochvornehmen auch eine
Kapelle. Mit diesen Privatanlagen zugleich beftaudeu aber alte und neue Stammes- und
Gauzufluchtsorte, in welche eine Mehrzahl von Bedrohten flüchten konnte.
Wir werden also in Steiermark für die ersten drei Jahrhunderte seiner deutschen
Geschichte auf Burgen im landläufigen Sinne verzichten müssen. Wenn demnngeachtet
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Steiermark, Volume 7
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Steiermark
- Volume
- 7
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1890
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.09 x 22.51 cm
- Pages
- 432
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch