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erhält sich im besten Falle auf den sandigen Hügeln und gibt auch da nur leichteu Garten-
wein. Der Arbeiter, der Hirte trinkt draußen auf dem Felde Wasser; auch dieses wird vou
fernen Trinkbrunnen geholt, denn das Wasser der Theiß ist weich, süßlich und trüb. Der
uuglasirte Lehmkrug wird in die Erde gegraben und darüber zündet man ein Strohfeuer
an, wodurch das Wasser im Kruge kühl wird. Wer hat das Volk gelehrt, dieses Physi-
kalische Experiment auszuführen?
Der Branntwein wird nur als Schutzmittel gegen Fieber und Erkältungen benützt;
das Bier kann man nicht hinaus tragen auf die Puszta und zu Hause ist auch kein großes
Begehr darnach. Da die Leute größtentheils Calviner sind, fasten sie niemals und kochen
nicht mit Butter. Darin liegt das Geheimniß ihrer merkwürdig ausdauernden Lebens-
zähigkeit: im guten Essen und im schlechten Trinken. Wer sich unter ihnen niederläßt, muß
entweder ihre Lebensweise befolgen oder er kommt durch die Miasmen der Gegend um; lind
so wird Jeder unter dem zwingenden Zauber der Umgebuug iu einen Ungar umgewandelt.
Interessant sind die Studien, welche einige Fachgelehrte über die Entstehung der
Theiß und ihrer Gegend geschrieben haben. Nach ihnen floß die Theiß in prähistorischer
Zeit (Hunderttausende von Jahren angenommen) den siebenbürgischen Bergen entlang der
Donau zu und wälzte sich dann langsam westwärts hinab, quer durch die ganze Ebene des
Alsöld brechend, bis in ihr jetziges Bett, dessen rechtes Ufer sie auch jetzt noch fortwährend
abzubrechen bemüht ist. Dem widerspricht Reclns durch die Angabe, daß znr Zeit der
römischen Herrschaft die in einen Lagerplatz verwandelte Titeler Hochebene noch auf dem
östlichen Ufer der Theiß gelegen habe, später eine Insel geworden sei nnd heute schou auf
dem westlichen Ufer der Theiß liege.
Aber diese Angabe wird durch Funde aus der Urzeit widerlegt: durch die iu ein-
gestürzten Theißufern gefundenen Mammuthreste, durch die Pfahlbauten des Hofszüreter
Sandhügels bei Töszeg, mit ihren Geräthen aus der Steinzeit und später aus der
Bronzezeit, desgleichen durch die goldene Krone und das gerade Schwert aus der Gegeud
von Alpär, durch die in den „Fünf-Hügeln" bei Szegedin vorgenommenen Grabungen,
welche in verschiedenen, durch Jahrhunderte getrennten Epochen für Fürstengräber aus-
ersehen waren. Hingegen erwähnt Eugen Szentklaray in seiner Beschreibung des Temeser
Banales der Thatsache, daß man in neuerer Zeit mitten auf der Becskereker Ebene, unter
jetzigem Weizenfelde auf das Wrack eines versunkenen Getreideschiffes gestoßen sei. Unsere
Geologen sind allgemein der Ansicht, daß nicht blos jene größeren und kleinereu Sümpfe
und Teiche, deren es im ungarischen Alföld die Menge gibt, und nicht blos die von der
Theiß verlassenen todten Flußbetten, sondern auch die Er und dieHortobägy Überreste
des einstigen Flußlaufes der Theiß sind. Diese Meinung wird durch die Wahrnehmung
unserer Geologen bekräftigt, daß die das ungarische Alföld begleitenden Sodaschichten
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch