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nützlich, weil es die dichten Schwärme der Stechmücken vertreibt und von unserer Lager-
stätte den Jsegrimm (Wolf) fernhält. Ein Sonnenuntergang am Theißnfer ist manchmal
wunderschön. Der ganze Himmel gleicht einem Flammenkessel, dessen Farbe nach und
nach in eine Art blendendes, gelbes Dunkel übergeht, das man die gelbe Finsterniß nennen
könnte. Dann schießen gegenüber ain Himmel dunkelblaue Streifen auf und zertheilen den
dichten Nebelschein, indem sie das gelbe Dunkel immer mehr eindämmen, bis endlich die
Sterne durch das Blau hindurch blinken. Und min beginnt das Concert im Wasser.
Millionen Frösche quaken und unzählbare „Gelsen" in Wassern und Himmeln summen
durcheinander, der Wolf ruft sein Weibchen, die Blindmaus quiekt, die Rohrdommel brüllt,
aus der Höhe tönt der Prophetenschrei der Wildgänse hernieder, von einem weit entfernten
Dorfe her kommt verirrter Glockenton nnd zu alledem klappern eintönig die Wassermühlen.
An der Theiß gibt es keine stumme Nacht. Aber Menschenstimmen hört man nicht, denn
das nächste Dorf ist schon weit entfernt voin Ufer.
Den Morgen verkündet der Lärm des gefiederten Volkes; immer ist das Reich der
Gewässer lebendig und bewegt. Sowie es zu grauen beginnt, erheben sich die Vögel in
ganzen Scharen, Tausende des sumpfbewohnenden Heeres dringen aus dem Weideuwald
und vou den moorigen Inseln her; die Fischadler, die sich für die Nacht gruppenweise auf
den Zweigen der Weiden niedergelassen hatten, gehen nun eilig der Tagesarbeit nach; dort
sehen wir sie in spiraligem Fluge die Kreuz uud Quer über dem glatten Wasserspiegel
herumirren, immer neuerdings zum Wasser niederschießen und, die Beute iu den Fängen,
sich wieder trinmphirend in die Lüfte schwingen.
Drei calvinische Studenten sind die Reisegefährten. Sie gehen auf Ferien nach Hause,
von Debrecziu nach der Baranya; um „den Weg abzukürzen", nehmen sie die Tour über
die Theiß, Donau und Drau. Die drei Reisenden singen ein „Quartett": „Es schaukelt
sich mein Kahn", und sie kommen an keinem Dorfe vorbei, ohne über dasselbe eine
Anekdote zu erzähleu. Das ist der uralte Phonograph des Alföld, das mündliche
Vermächtuiß der Studenten, der Aufbewahrer der „Csittvärer Chronik". Sie kennen hier
jedes Dorf, jeden Marktflecken, sie wissen wer dort Pfarrer, wer Rector ist, sie kennen
deren Sporteln und es ist ihnen bekannt, ob es dort eine alte Kirche, einen Weinberg oder
einen Wald gibt. Die wirkliche Steuerbasis kennen unverfälscht nur der calvinische Rector
uud der Geistliche, und nach ihnen diese Wander-Studenten.
In Ta rpa wachsen viele Pflaumen und Reinetteäpfel, und ein furchtbar saurer
Wem, der, wenn er sich zieht, mit der Scheere abgeschnitten werden muß.
Varsäuy wird durch die Theiß in zwei Theile geschnitten. Einst war es eine ganze
Ortschaft, jetzt liegt es mit einer Hälfte auf dem rechten, mit der anderen auf dem linken
Ufer der Theiß.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch