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dem Thore Spalier, bis die Trauung zu Ende ist. — Die unvermeidliche Zigeunerbande
beschließt deu Hochzeitszug und spielt auf dem Hinwege einen langsamen Ungarischen oder
einen Marsch, gewöhnlich den Huuyady-Marsch; auf dem Rückwege geht es schon geräusch-
voller her, ein feuriger Csardas wird losgebrannt und besonders häufig hört man das
Aufjauchzen des Tolnaer Hochzeitsliedes, unter den Freudenrufen der Gäste und dem
Kuallen der Pistolen. Diese Pistolen richten zuweilen auch einigen Schaden an; dann
wird dem unglückseligen Kanonier aufgebracht, er habe die Mündung der Waffe mit dem
Daumen zugehalten, um den Knall stärker zu machen.
In den Gegenden von Abanj-Zemplen hat der Hochzeitszug auch kleine Hindernisse
zu überwinden. Übermüthige Bursche drehen Stricke aus Heu und Stroh und spannen sie
quer über den Weg des Zuges, dem Hochzeitsbitter liegt es nun ob, mit einem einzigen
Säbelhieb diesen Knoten zu zerhauen. In der Regel gelingt dies, mitunter aber läuft,
dank dem erwähnten Übermuth, eine Rebschnur oder gar ein Draht durch das Strohseil
und dann geht es auf einen Hieb nicht entzwei. Der Hochzeitsbitter mnß also vom Pferde
steigen und unter allgemeiner Heiterkeit mit dem Messer vollenden, was er mit dem Säbel
schlecht begonnen.
An manchen Orten herrscht auch die Sitte, daß nach der Trauung jede Partei an
ihren Ausgangspunkt zurückkehrt, also auch die Braut ins Haus ihres Vaters, woselbst
sie bis nach der Mittagsmahlzeit verbleibt, um dann vom Wagen des Bräutigams unter
einem Geleite von Berittenen abgeholt zu werden. Die Bursche gehen hinein, nur einer
bleibt draußen, ein Gesell, der sich als altes Weib verkleidet hat und, emsig die Spindel
drehend, den Gassenden die gute Lehre gibt, daß jedes Mädchen so beschaffen sein müßte
wie er, der sogar zur Hochzeit den Spinnrocken mitbringe. Drin im Hause wird mittler-
weile die Braut verlangt, auch möchte sie ohne Weiteres mitgehen, aber siehe da, nun tritt
ihr der Herr Rector, oder der Herr Kantor in den Weg und hält ihr, ehe sie entlassen
wird, eine prächtige Abschiedsrede in Alexandrinern, mit Bezug auf Bater, Mutter, Groß-
eltern und Geschwister. Ströme vou Thränen werden vergossen, das Weinen ist ansteckend;
glücklicherweise stampfen die Pferde vor Ungeduld und ein Gleiches thun die Bursche, das
Mädchen muß sich also endlich doch vom Mntterherzen losreißen und zieht dnrch die
Gassen des Dorfes, von allen Burschen begleitet, unter Mnsik und Geknall nach dem
Hanse des jungen Gatten. Ans den Armen wird sie vom Wagen gehoben, aber ehe sie sich
zu den Gästen begibt, macht sie in der Küche Halt, setzt sich aus einen Schemel unter den
Schornstein, uimmt ein kleines Kind auf ihren Schooß und verzehrt aus einer Schale
etwas Honig, während sie auch jedem Umstehenden einen Bissen Kuchen, in Honig
getaucht, verehrt. All das als Zeichen der Häuslichkeit, der Liebe zu ihren Kindern und
der Sanstmnth, deren sie sich befleißigen wird. Bei den Jazygiern erwartet sie die Mutter
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch