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Ein Grund zur Klage ist das nicht; bei dem Einnehmen der Plätze wird mit so feinem Takt
verfahren, daß die Reihenfolge selbst nach einem vorher ausgearbeiteten Plane nicht besser
ausfallen könnte. Die Würdigeren und Älteren, mit besonderer Rücksicht auf weißes Haar,
sitzen obenan; der Beistand an der Ecke oder im Mittelpunkte der Tischseite; ihm gegen-
über Braut und Bräutigam, in der Theißgegend gewöhnlich „unter dem Spiegel",
daher die bedauernde Redensart von den alten Jungfern: „die kommt auch lange nicht
unter den Spiegel". Das junge Paar ißt aus einem Teller, trinkt aus einem Glase. In
manchen Gegenden behält der Bräutigam auch während des Essens den Hut mit dem
Blumeubuschen auf. Der andere Theil des Tisches gehört den Jüngeren, je nach ihrem
Alter. Am ganzen Tische ist kein Mädchen zu sehen. Sie sind alle verschwunden. Die
Bursche sind zum Theil kleine Brautführer, die also keinen Platz brauchen, die anderen
schleichen hinter den Matronen herum, die ihnen über die Schulter hinweg manchen
Leckerbissen zukommen lassen. Am untersten Ende der Tafel, also unmittelbar in der Ecke
neben der Thüre, steht ein Eimerfaß, mit einem Tischtuch bedeckt. Dies ist das „Banat",
nnd der Mann, der dort sitzt, ist der „Hochzeitsbitter aus dem Banat", der „Knmanische
Kapitän", ein geriebener Spaßvogel, der zu Tanz und Scherz anreizt nnd zur Unterhaltung
der Gäste sich und Andere zum Narren hält. Das „Banat" ist immer sehr lustig, so lange
die Gesellschaft am fertigen Spaß Gefallen findet, aber vordringlich wird der Mann nie,
denn das läuft gegen seine Würde. Jetzt geht die Thür auf und die Brautführer, je nach
der Menge der Gäste und dem Maßstab der Festlichkeit vier bis sechs an der Zahl, tragen
der Reihe nach die Speisen aus. Der erste Brautführer wünscht dem Herrn des Hauses
und seinen ehrenwerthen Gästen einen „glücklichen guten Tag", recitirt ein Earmen von
vier bis acht Versen, wünscht guten Appetit und stellt dann die Schüssel hin. „lessek
(Belieben!), Mögen Euer Gnaden in Gesundheit leben!" Die Gäste greifen zu ihrem
Eßzeug, das sie in Servietten gebunden, mitgebracht haben, — ein alter Gebrauch, der
in Klein-Kumanien noch heute herrscht, während er anderwärts schon abgekommen ist.
Das Menn des Hochzeitsschmauses ist folgendermaßen bestellt:
1. Suppe, aus Geflügel und Rindfleisch, darin eingekocht Nudeln oder Ziermehl-
speise, oder eine schneckenförmige Mehlspeise, Gänsekröse genannt, dessen Zubereitung Zeit
erfordert, so daß die Hausfrau schon vor Wochen daran gegangen ist.
2. In Snppe gekochtes Fleisch, mit Essig-, Rahm-, „Kren-" oder „Paradeis"-Sauce.
3. Eingemachtes, vom Lamm, Kalb oder Geflügel, oft von allen dreien, mit kleinen
Leberknödeln und säuerlicher Bertramsauce. Nach diesem Eingemachten bemißt der Ungar
die Üppigkeit des Tisches, was er mit den Worten ausdrückt: „Das Suppige allem muß
siebenerlei sein."
4. Gefülltes Kraut; uuvermeidlich.
tt*
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch