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Desto beliebter sind die Anekdoten, Schnurren, Neckreden. Beim Braten werden
schon Räthsel aufgegeben und die Schwanke der Brautführer machen sich geltend. Der
Eine z. B. droht: „Ich hau' Dir ihn so an den Kopf, daß er in Stücke geht!" und die
schwächeren Herzen an der Tafelrunde sehen bereits entsetzt, wie irgend etwas Wuchtiges,
iu eine Serviette gewickelt, auf den Schädel des anderen Brautführers niederkracht.
„Hab' ich Dir's nicht gesagt, daß er in Stücke gehen wird?" (Natürlich war nicht der
Kopf gemeint, sondern der Mandelkuchen in der Serviette, den nun Beleidiger und Belei-
digter auf zwei Teller häufen und lachend dem erschrockenen Weibsvolk anbieten.) Nach
dem Milchbrei kommen die Köchinnen herein und halten den Gästen mit der dick verbun-
denen rechten Hand einen gewaltigen Kochlöffel hin. Sie hätten sich, heißt es, beim Brei-
kochen die ganzen Hände verbrannt und bäten jetzt um das Breigeld, für den Apotheker.
Die Kochlöffel füllen sich mit Kreuzern und auch Sechsern, denn manche Spender wünschen
sich hervorzuthun.
Lärm und fröhliche Stimmung nehmen zu, aber das Geklirr von Messer uud Gabel
verstummt. Auch der Kaffee ist getrunken, so weit er eben Feinschmecker findet, aber kein
Mensch verläßt seinen Platz, bis nicht der Hochzeitsvater, der um diese Zeit nicht bei
Tische zu sitzen Pflegt, die Mütze auf dem Kopfe, eintritt und mitten im Zimmer stehen
bleibt. Da verstummt plötzlich Alles, der Hausherr nimmt die Mütze ab und sagt: „Lasse
Gott Euch das Esse» wohl bekommen!" Und alsogleich bittet auch die Hausfrau um
Entschuldigung, wenn vielleicht etwas nicht nach Wunsche gerathen sein sollte, worauf
aber ringsum laute Proteste erschallen, die Bänke gerückt werden, die Gäste sich in Dank-
sagungen erschöpfen nnd das Zimmer sich langsam leert.
Die älteren Männer zünden die Pfeifen an, die Bursche haben gar Cigarren zwischen
den Augenzähnen, sie haben sie heute schon fünfmal angezündet und werden sie noch ebenso
oft anzünden. Bei ärmeren Hochzeiten, wo die Zigeuner „nur von ungefähr hingerathen
sind", wird für diese eine Sammlung veranstaltet. Der weibliche Theil der Gesellschaft
geht heim, um sich für den Tanz umzukleiden.
Nach einer halben Stunde ist die Gesellschaft wieder vollzählig und es beginnt der
Tanz, der bis zum hellen Morgen währt; im Herbst dient der Hof als Tanzplatz, im
Fasching das Zimmer. Dieses ist mittlerweile gelüftet und gefegt worden. Alles überflüssige
Geräth ist beseitigt, nur die ^I-förmige „Tischbank" im Fensterwinkel ist sammt ihrem
Tische stehen geblieben. In dieser Ecke sitzt der Beistand mit den bejahrteren Männern,
unter denen die auswärtigen den Vorrang haben. Die Lammfellmützen scheinen an den
Köpfen festgewachsen zu sein und rühren sich um keinen Preis, es wäre denn, daß irgend
ein sehr vornehmer Gast einträte, der Geistliche etwa oder der Gutsbesitzer, und man
durchaus das Haupt entblößen müßte. Aber selbst in diesem Falle wachen ein paar Frauen
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch