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auch nothwendig. Die Lebensbedürfnisse steigerten sich und deßgleichen die Anforderungen
des Staates an den Einzelnen; es galt also auch die Produetiou zu steigern. Aber zugleich
machten die nach allen Richtungen gebauten Eisenbahnen es möglich, das erzielte Getreide
zn verkaufen.
Heute ist die Puszta nicht mehr, was sie war. Wer etwa die Strecke zwischen Donau
und Theiß vor vierzig Jahren gekannt, würde sie heute uicht mehr erkeuueu. Damals war
die Puszta von der Pest-Czegleder Eisenbahnlinie hinab bis Majsa und Halas überall
bloßer Weidegrund. Kein Baum, keiue Tauya war da zu seheu. Hier uud da wurde etwas
Weniges gepflügt — auf Halbscheid. Zum Verkauf blieb von der Ernte kaum etwas übrig.
Die Bewohner der umliegenden Dörfer waren die Halbbauern, nur selten die Puszten-
bewohner, welche in selbstgebauten Lehmhütten wohnten; sie höhlten nämlich eine Grube
iu der Erde aus, umzogen den Rand mit einem Geländerzaun aus Weidenruthen,
verschmierten dieses Geflecht mit Lehm, legten dann ein Dach darüber, nicht ohne ein
paar Fenster in der Feuermauer offen zu lassen, und das Wohnhaus war fertig. Heute
schimmern überall die weißen Wände wohlgebauter und reingehaltener Tanyas aus
grünem Akaziendickicht hervor.
Die Städte vertheilten den gemeinsamen Pnsztenbesitz unter ihre Bürger. Diese
verließen dann entweder die Stadt, bauten sich mitten in ihrem Feldantheil eine Tanya
und bezogen dieselbe mit der ganzen Familie, oder sie konnten sich von der Stadt nicht
trennen und verkauften jene Felder an Unternehmungslustigere. Um die Tanyas her
entstanden Gemüsegärten, wohl auch Obstpflanzungen, ja sogar Weingärten. Die einzelnen
Ackerstücke wurden mit Gräben umfangen und in diesen oder längs ihrer Böschungen
Reihen von Akazien gepflanzt.
Vielfach — besonders im Pester Comitat — zogen selbst die größeren Grundbesitzer
auf die Puszta hinaus, wo sie sich Maierhöfe und Wohnhäuser bauten, um dort Sommer
und Winter verbringen zu können.
Manche Puszteu sind in Bezug auf Cultur und Bewirthschastungssystein heute
sogar diesem und jenem städtischen Gebiete voraus. Der städtische Bürger hält sich wenig
auf der außen gelegenen Tanya auf. Er geht wohl zur Zeit der Hauptarbeiten hinaus,
sein ständiger Wohnsitz aber bleibt die Stadt. Er wendet nicht seine ganze Sorge der
Tanya zu. Er kümmert sich nicht viel um ihre Verschönerung. Der Pnsztenbewohner
dagegen wird schon durch die Nothwendigkeit hiezu gezwungen. Er kann nicht zwei oder
drei Stunden weit in die Stadt hineinlaufen, wenn er ein Stück Holz braucht, daher
pflanzt er sich das lieber draußen. Auch Obstbau treibt er, da er in der Nähe keinen
Obstmarkt findet. Aus demselben Grunde muß er sich einen Garten anlegen. Freilich
besteht sein Obstgarten nur aus etlichen Weichsel-, Aprikosen-, Pflaumen- und Maulbeer-
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch