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Nachdem das Wasser sich verlaufen hatte, bildeten zurückgebliebene „Meeraugen"
noch lange Zeit Hindernisse für die Besiedelung der tiefer liegenden Theile. Es ist jedoch
mehr als wahrscheinlich, daß die Bergbewohner dieser steinzeitlichen Epoche sich schon
ziemlich früh des Tieflandes bemächtigten und es durch Pfahlbauten zu ihrem Wohnsitz,
ja ihrer Festung tauglich machten. In sehr trockenen Jahren, wie z. B. 1863 geschah,
ragen bei Äroktö (Borsoder Comitat) aus der Theiß Pfahlreihen empor. In der
benachbarten Gemeinde Bäbolna berichten die Alten von ähnlichen Dingen. Sie halten
diese Pfahlreihen für Brückenköpfe aus der Zeit der „Györe" (Erdburgen), doch sind sie
vielmehr als Überbleibsel von Pfahlbauten aus jener Zeit zu betrachten, da die Theiß
ihren Lauf noch südlicher nahm, die Oberfläche aber beinahe das Niveau des jetzigen
Bettes hatte. Spuren von Pfahlbauten sind auch in dem der Matra näher gelegenen
Fiizes-Abony (Hevefer Comitat) aufgetaucht.
In der neolithifchen Steinzeit aber bestand die Colonisiruug des Menschen darin,
daß er für sein „Heer" (seine Familie) eine passende Herdstelle auf einem von der Natur
befestigten Berggipfel oder Hügel ausfindig machte, deren Zugänglichkeit er leicht
beschränken konnte. Statt eines Wachtthnrmes diente die Örtlichkeit selbst, die einen
weiten Ausblick gestattete. Das audere Hauptersorderniß war die Nähe von fließendem
Wasser, er ließ sich also bei Quellen, an Wasserläufen nieder. Den nach diesen Gesichts-
punkten erwählten Platz befestigte er dann durch Wassergraben und Rasenwall zu einer
Schanzenburg, die ihm zum Heiligthum der Familie, Wohnsitz der Götter und Vorraths-
haus seiner werthvolleren Habe wurde. Hier war der gemeinsame Herd, wo er an mächtigem
Feuer, wie es zu seinen plumpen Gefäßen paßte, seine Speisen bereitete und seine Thon-
geschirre brannte. — Das Bild der urzeitlichen Herdplätze ändert sich von Zeit zu Zeit.
Auf das friedfertige Familienheer der neolithifchen Zeit folgen die weiter fortgeschrittenen
und kriegerischeren Stämme der Bronze- und Eisenzeit. Die uralten Erdburgen gehen aus
einer Hand in die andere über und wachsen mit der Zeit zu immer höheren Hügeln empor.
Ein Hügel, der lediglich der Steinzeit angehört, findet sich zwar längs der ganzen
Matra-Ebene nicht, in seiner Grundlage aber stammt jeder aus der Steinzeit. Die meisten
haben noch jetzt 20 bis 25 Schichten und unter einer jeden schlummern nicht ein oder
zwei Menschenalter, sondern dem Charakter ihrer Alterthümer gemäß Jahrhunderte. Die
Legenden von Jahrhunderten sind unter jeder solchen Schichte begraben. Das Volk nennt
diese geweihten Stätten der Urzeit mit verschiedenen Namen, am häufigsten „Erdburg"
(külävür), „Körperhügel" (testkulom), „Leichenburg" (wtemvär) und „Knmaneuhügel"
- (kunkalvrn).
Die kurze Herrschaft der Hunnen und Avaren hat hier mehr Spuren zurückgelassen
als die vor ihnen dagewesenen Bewohner zusammengenommen. Von den Avaren rühren
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch