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Magnat führte in Debreczin die Reformation ein. Der Geistliche Valentin war der erste
Missionär daselbst. Das Volk von Debreczin trat massenhaft zum erneuerten Glauben
über, nach sechzehn Jahren war die ganze Stadt protestantisch und nach weiteren zehn
Jahren der Lehre Calvins ergeben. Alle Gotteshäuser wurden der neuen Religion
eingeräumt, jede andere Kirche ging ein.
Die staatzertrümmernden großen Katastrophen, die nun folgten, theilten Debreczin
für lange Zeit der siebenbürgischen Fürstengewalt zu. Diese Zeiten voll mannigfacher
Wechselfälle haben die Lebensweisheit Debreezins zur Entwicklung gebracht.
Auf dem Heerwege von drei- und viererlei feindlichen Armeen gelegen, ohne steinerne
Mauern, ohne Kriegsheer, und dennoch frei, treu dem Vaterlande, ausdauernd in der
Arbeit der Aufklärung, der Wissenschaft, stand die Stadt allein da gleich einer unab-
hängigen Republik. Sie kaufte sich frei vom Sultan, von den Paschas, von ihren eigenen
Fürsten, von den kaiserlichen Feldherren; gegen alle jene verwüstenden Heere schickte sie
keine Truppen aus, sondern entrichtete die ihr auferlegten Kriegscontributionen: sie griff
auch weiter zu keiner Heugabel, um sich mit dem Feinde zu messen, sondern schickte ihm
Richter und Vorsteher entgegen, die den Handel mit ihm abschlössen, so daß Feuer und
Schwert ihr fernblieb; die kriegslustige Jugend wußte sie daheim in Zucht zu halten und
die Volksleidenschaft zn zügeln, welche lüstern ist nach Gefahr. Mehr als einmal stieß es
jenen hervorragenden Abgesandten zu, daß der trotzige Feind sie in den Kerker werfen,
ja auf die Folter spannen ließ; dem Wortführer, dem Richter wurde der Kopf vor die
Füße gelegt, aber solch trauriges Beispiel hielt die Nachfolgenden doch nicht zurück, —
Debreczin war das Vaterland.
Wie oft während dieser Zeitläufte nahm Debreczin die flüchtigen Bevölkerungen
ganzer Städte, wie Szegediu, Mako, Csanad auf, und eine zeitlang auch die von
Särospatak vertriebenen Professoren und Studenten der reformirten Hochschule! Die
Getreuen der überall verfolgten Reformation fanden hier ein bleibendes Asyl, und als
Franz Räköczy nach dem Abschluß seiner kriegerischen Geschicke das Land verließ, vertraute
er die Scharen schutzlosen Volkes, die ihm nachgezogen waren, namentlich die Flüchtlinge
aus dem Barser Comitate, das Weiber- und Kinderheer der Knrntzen, der Obhut Debreezins
an, welches sie aufnahm.
Und als es endlich dahin kam, daß alles Beschwichtigen und Zahlen nicht mehr
nützen wollte, da bewies das Volk von Debreczin, daß es sich auch des Schwertes nicht
entwöhnt hatte; als im Jahre 1566 die verheerenden Schwärme der krimischen Tataren,
ein Volk in Sclavenfesseln mitschleppend, sich gegen Debreczin heranwälzten, da wurden
sie auf dem Felde zwischen Szoboszlo nnd Ujvaros durch die Bürgerschaft zersprengt, die
Sclaven befreit, — noch jetzt heißt der Ort des Kampfes „Blutthal" (vervöl^).
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch