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Szinyer-Väralja, von wo aus in der Richtung ans Nagy-Bänya das Walachenthum der
Kövärer Gegend beginnt.
Jni Mittelpunkt oder am Ende jedes Dorfes pflegt eine hübsche, mitunter freilich
vernachlässigte adelige Curie zu steheu, und da haust jeuer mittlere Adel, dessen Vorfahre»
sich in so lebhafter Weise au den Verfassungskämpfen des XVII. und XVIII. Jahrhunderts
betheiligt haben. Nach dem Szatmärer Frieden hatte sich derselbe zwar vollständig
erschöpft, doch unter treuer Bewahrung seiner Überlieferungen, Erinnerungen und
Ansprüche hinter die Bollwerke des Comitatslebens und der Adelsvorrechte zurück-
gezogen. Die Bande der Verwandtschaft, die in verschiedenen Dörfer» und Comitateu
verstreuten kleinen adeligen Besitzparzellen, die Rechtshändel und die gastfreundliche
Lebensweise hielten ihn gesellschaftlich zusammen und verbanden ihn auch mit dem Adel
der Nachbarcomitate durch Bluts- uud Interessengemeinschaft, Jdeengleichheit und
gemeinsame patriotische Gesinnung; so blieb diese Classe in unausgesetzter lebendiger
Berührung unter sich, trotz aller Fehler und Gebrechen die verläßliche Hauptstütze der
ungarischen Verfassung und Nationalität. Politisch an die Selbstregierung des Comitats,
kirchlich an die des Protestantismus gewöhnt, bewahrte sie sich allezeit ein gewisses Maß
von Selbständigkeit und oppositionellem Geist.
Der niedere Adel ist im Szatmärer Comitat und gerade auch in der Gegend von
Nagy-Käroly sehr zahlreich, zum Theil schon ganz mit dem Volke verschmolzen. In
Genes, Bere, Tynkvd ist so manches einfache Banernhans das Heini einer armen Adels-
familie. Diese Classe hat in gleichem Maße die guten, wie die schlechten Eigenschaften
ihres Schlages. Eine verhältnißmäßig große Anzahl ihrer Söhne wirkt erfolgreich auf
verschiedenen Gebieten des öffentlichen Lebens: als Geistliche, Advoeaten, Dorfnotare und
Beamte. Uud als zu Ende des vorigen Jahrhunderts der Dichter Gvadänyi eine Gestalt
suchte, um in ihr das erwachende nationale Selbstbewußtsein zn verkörpern, das sich
gegen fremde Sprache, Tracht und Sitte auflehnt und im Namen der Nation kühn die
Forderung aufstellt, daß der Hochadel und die Hauptstadt ungarisch seien, einen Menschen,
der sich auf deu Weg macht, um die ungarische Hauptstadt und in dieser den Palast des
Königs Matthias zu sehen, — da wählte er sich dazu aus dem niederen Adel des
Szatmärer Comitats die Figur eines Dorfnotars und legte ihm die Ansprüche der Nation
in den Mnnd. So entstand die Gestalt des „Notars von Peleske", des kleinen Edel-
manns, der zwar nicht auf dem Bildungsniveau seiner Zeit steht, aber am besten, sozusagen
instinctiv die Bedrohung seiner Nation fühlt und der Krankheit, welche ihre Existenz
bedroht, tapfer zu Leibe geht.
Die Bevölkerung der Dörfer um Nagy-Käroly weist neben den allgemeinen
Charakterzügen der Verwandlfchaft hier und da auch besondere Züge in Tracht und Sitte
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch