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in Krippeninstituten, Kinderbewahranstalten und Waisenhäusern, die greisen oder ver-
armten Bürger aber in Versorgungshäusern. Auch eine städtische Wasserleitung ist im
Entstehen begriffen; zur Deckung ihrer Kosten hat der griechisch-katholische Bischof Michael
Pavel allein 10.000 Gulden beigesteuert.
Eine Ackerbaustadt konnte Groß-Wardein wegen der geringen Ausdehnung seines
Gebietes nicht werden, nur sein Weinbau wurde recht bedeutend; dadurch aber war es
geradezu auf Handel und Gewerbe angewiesen. Und auf diesen Gebieten erzielt es
glänzende Erfolge, besonders seitdem es durch Banken, Sparkassen und Kreditinstitute
unterstützt wird und durch Eisenbahnen, Post- und Telegraphenlinien nach sechs
Richtungen mit der Welt verbunden ist. Seitdem hat es Dampfmühlen, Druckereien,
ein Schlachthaus, Lagerhäuser und verschiedenartige Fabriken (für Spiritus, Ziegel, Soda-
wasser u. s. w.) erhalten. Der Verkehr hebt sich zusehends und für die Aufnahme der
Fremden werden neue bequeme, ja glänzende Gasthöfe gebaut.
Auch die Bevölkerung der Stadt ist in stetigem Wachsthum begriffen. Statt der
216 Bürger des vorigen Jahrhunderts, zählt sie heute über 32.000 uud wenig fehlt, so
wird sie die Domkirche, von der sie einst durch einen öden Platz von viertelstündiger
Ausdehnung getrennt war, mit ihren Häuserzeilen umspannt haben. Dieser leere Raum ist
seither zum Schlauch-Platz geworden, so benannt nach dem dermaligen Bischof der Stadt,
der ihn zu Gunsten der städtischen Einwohner in einen schönen und angenehmen Park
verwandelt hat.
Am Domkapitel haben sich die sogenannten literarischen Pfründen (swllum
literariuin) gebildet, um solche Geistliche, welche sich durch besondere wissenschaftliche
Thätigkeit ausgezeichnet haben, als Domherren zu dotireu. So wurden zu Mitgliedern des
Domkapitels Männer wie Pray, Schönvizner, Ücskay, Szaniszlö, Fogarafy, Georg Fejer,
Hovänyi, Szilasy, Nogall, Römer, Fraknoi und so viele Andere, welche in Varad
gleichsam den Gelehrtenkreis des Bischofs Vitöz wieder aufleben machten. Wie regsam sich
das literarische und wissenschaftliche Leben daselbst gestaltet, geht schon daraus hervor, daß
die Stadt fünf Zeitungen besitzt und nach statistischen Ausweisen eine jener Provinzstädte
ist, in denen die meisten Bücher gekauft werden.
Auch die bildende Kunst, welche außer dem Sarkophag im Rhedey-Park und einigen
Ölgemälden im Comitatshanse oder bischöflichen Palast oder etlichen besseren Altarbildern
der Domkirche kaum etwas auszuweisen hatte, dringt jetzt mit ihren edlen Erzeugnissen bis
in die Heimstätten der Bürgerfamilien ein und hat die Stadt neuerdings mit Kunstschützen
bereichert, wie die Sammlung Jpolyi, welche an romanischen, gothischen und Renaissance-
Gegenständen, an Werken der einheimischen Malerei und besonders an seltenen Gobelins
und orientalischen Teppichen einen wirklichen Schatz besitzt.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch