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von den fürchterlichsten Verheerungen sprechen. Im ganzen Lande gibt es Verhältniß-
mäßig nicht so viele zu Pnszten gewordene Dörfer als in der Biharer Ebene, und so
viele an die Flucht der Eiuwohuer mahnende Namen, wie l'estkalom (Körperhügel
iu den Gemarkungen von Zsäka, Henezida, Säränd und Szalouta), Lsuwlupos (Schlacht-
ebene), tüsutaeiküt (Schlachtufer bei Nagy-Räbe), k'ulus^i^et (Dorfinsel bei Megyer
und Torda), (Wohninsel in Henezida), ?us^wkaw (ödes Dorf in Asszony-
väsära und Szerep), k'nluliel^ (Dorfstätte in Zsäka) nnd dergleichen mehr.
Die Weltgeschichte, weuu sie iu das Bewußtsein des Volkes übergeht, bewahrt nicht
nur mehr oder weniger getren das Gedächtniß der vergangenen Ereignisse, sondern sie übt
auch beständig eine maßgebende Wirkung auf das allgemeine Denken und Empfinden nnd
offenbart sich auf Schritt uud Tritt als wahrhaft nationbildeuder Faetor.
Weuu wir also vou der kurzgefaßten Geschichte einer Gegeud spreche», ist es gewiß
lehrreicher, statt ihre Vergangenheit aus dem zerfetzten Leicheutuche alter Urkunden
herauszuwickeln, lediglich ihre lebendige Geschichte in Betrachtung zu ziehen, jene
Geschichte, die, in der Seele des Volkes fortlebend, ihre Wirkung noch heutigentags
empfinden läßt.
Aus der Ärpadeuzeit ist der Name König Ladis laus des Heiligen noch heute
im Biharer Volksmuud lebendig. Sein Grabmal in der Domkirche zu Groß-Wardeiu
war, wie bereits erwähnt, lange Zeit das Ziel der Wallfahrer. Das benachbarte Püspöki
diente den frommen Pilgrimeu als Herberge. Uud die Kuude dieser Pilgerfahrten gab zu
dem Wortspiel Aulaß, daß die jenseits von Püspöki gelegene Gemeinde Siter ihren Namen
von 8(anetum) Iter (heiliger Weg) habe.
Eine andere derartige Erinnernng an die Ärpadenzeit ist das Andenken der rothen
Mönche; die Stelle, wo ihr Kloster gestanden haben soll, zeigt man noch jetzt in Szalaes,
auf der Pnszta von Ersek-Apäti, in Püspöki, am Ufer des St. Petersbaches zu Nagy-
Kereki, iu der Akaburg zu Dözsa, am Geistlichenberg (?»pok bei Darvas und in
Fekete-Bätor am Dorfende. Als rothe Mönche bezeichnete das Landvolk vermuthlich die
Tempelherren wegeu ihres rothen Mantels, sowie es die Panliner wegen ihrer weißen
Ordenstracht weiße Mönche und die Franeiscaner wegen ihres schwarzen (slavisch: esoini)
Gewandes „Cseri"-Möuche uannte.
Bis in die Zeit der Anjon reicht das Gedächtniß Niklas Toldis zurück, dessen
mythische Gestalt die Sage mit deu Eigenschaften der Körperkraft und Gewandtheit,
des Heldeumuthes und Herzensadels geschmückt hat. Im ganzen Lande kennen ihn Sage
und Sprichwort unter dem Namen Toldi Miklos und das Volksmärchen als Kirälyfia
Kis Miklös, das heißt Klein Niklas der Königssohn. Doch bedeutet hier das Wort
„Köuigsfohu" nur einen Soldaten, ähnlich wie in der Auffassung des italienischen
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch