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ganzen Rattenkönig von Ungemach wieder gutmachen. Denn Szegedin liegt auf einem
gar guten Boden. Einerseits ist es von den reichen Weideplätzen der kumauischeu Pnszten
umgeben, die andere Seite aber umgibt die Weizenkammer des Landes, die Bäcska, und
auch Torontal mit seiner üppigen schwarzen Erde liegt in der Nähe. So viel konnten die
Türken nicht rauben, so viel die Elemente nicht verheeren, als die gute Muttererde zurück
zuerstatteu vermochte. Auch die eigene Gemarkung der Stadt ist vorzüglich, obwohl zum
Theil Saudbodeu. Hier uud da ist sie mit sodahaltigen Gewässern bedeckt. In der Ferne
blinkt zuweilen ein Teich ans, einem riesigen Silberthaler gleich. Und die uuabsehbare,
gleichförmig graue Fläche uimmt erst bei den Gärten von Szatymaz ein willkommenes
Ende. Übrigens ist es nicht nöthig, dieses Gebiet eigens zu beschreiben.
Die größeren magyarischeil Städte des Alsöld sind sich äußerlich mehr oder weniger
gleich. Ihre Gemarkungen seheil einander so ähnlich wie eine Elle Tuch der anderen. Da
ist die Ebene mit ihrer Luftspiegelung, nur begrenzt durch das Himmelsgewölbe, das sich
ringsum zu ihr uiederzuueigeu scheint, da ist das dumpfe Grau des Erdreichs, das
uuabsehbare Meer von Ähren, — immer das uämliche Bild. Hier und dort taucht
eine einsame, von keinem Baum beschattete Tauya auf: eiu weißes Häuscheu uud eine
Brunnenstange. Bei Szegediu ist das alles genau so wie bei Keeskemet. Au den Enden
der Städte stehen Windmühlen und in den Straßen wiederholen sich allerlei gemeinsame
Züge. Jede Stadt aber besitzt etwas, womit sie sich brüstet: Debreeziu seiu Eolleginm,
Szegedin seine Matthiaskirche. Jede hat die Specialität irgend eines berühmt gewordenen
Prodnetes der Industrie oder Laudwirthschaft: Szegediu seiue Schnappmesser, Seife,
Paprika, Tarhonya (eine getrocknete, fchrotförmige Mehlspeise), Keeskemet seine Äpfel und
Aprikosen, Debreeziu seine Pfeifen, Bratwürste nnd Speck. Und auch einen großen Mann
besitzt jede Stadt, au dem sie der Welt zeige» kaun, wie weit es mit ihrer Intelligenz her
ist: Debreczin hat den Lyriker und Epiker Michael Esokouai-Vitez, Keeskemet den Tragiker
Josef Katona, Szegedin den Romandichter Andreas Dngonics. Dazu kommt nun noch, daß
auch die Menschen sich gleichen, nicht nur äußerlich, sondern anch nach ihrer Sinnesart.
Der männliche Einwohner von Szegedin ist in der Regel kurz uud untersetzt, das
intelligente Gesicht ist durch lebhafte Augen erhellt, der mächtig entwickelte Schädel zeigt
eine gewisse tatarische Eckigkeit. Seine verschnörkelte, die Tempi einhaltende Redeweise,
sein würdevoller Gang weisen auf orientalische» Ursprung hin. Unter den Frauen gibt
es vielleicht nicht so viele auffällige magyarische Schönheiten wie weiterhin in Makö oder
Szentes, möglicherweise a»s dem Grunde, weil diese Raee durchaus keine Vermischung
zuläßt. Das hindert aber die Männerwelt von Szegedin nicht, uach uralter Sitte sich
jede» Sonntag um die Mittagszeit iu dichten Gruppen vor den Kirchen zu versammeln,
»in die heraustretenden jungen Frauen uud Mädcheu zu mustern und vergnügten Auges
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch