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Die deutschen Gemeinden Äidungarns, ihre Bewohner nnd deren Gebräuche.
Die deutschen Dörfer waren und sind auch heute noch unleugbar ein Schmuck der
südlichen Comitate Ungarns, ein Element, welches das sonst eintönige Flachland belebt.
Gewiß findet man nirgends in Ungarn so viele wirklich nett und regelmäßig gebante,
mit geraden, luftigen, baumbepflanzten Gassen versehene Ortschaften beieinander als in
dieser Gegend. Solche sind besonders Zsombolya (Hatzseld), Perjamos, Näkösalva, Szeut-
Hubert, Charleville, Säudorhäza und Hanliksalva in Torontäl, Apatin, Palänka, Verbäsz
und Kula im Bacser Comitate. Die deutschen Gemeinden haben überall die erhöhtereu
Stellen der Gemarkung besetzt. Die Dörfer sind geradlinig von 18 bis 20 Klafter breiten
Hauptstraßen und 6 bis 8 Klafter breiten Nebengassen durchschnitten. Die Mitte des
Ortes schmückt ein regelmäßiger runder oder viereckiger Platz, an dem man Kirche, Pfarr-
haus, Schule, Gemeindehaus und den großen Gasthof beisammen findet, wie dies auch
unsere Ansichten der Kirchenplätze zu Bogaros und Charleville zeigen. In den Gemeinden,
welche keine Kirche mit einem Thurm haben, sieht man neben dein Crucifix, das die
Mitte des Platzes schmückt, immer einen Glockenstuhl. Die Häuser sind rein weiß getüncht
uud haben nach der Gasse zwei oder drei Fenster mit grün gestrichenen Läden oder
Jalousien. Sie sind in der Regel mit Rohr, bei den Wohlhabenderen aber mit Schindeln
oder Dachziegeln gedeckt. An alten rohrgedeckten Häusern sieht man über der Stirnseite,
der Richtung des Daches entsprechend, zwei Bretter angebracht, welche sich kreuzen und mit
Pferdeköpfen endigen. Diese seltsame Dachzier ist altgermanischen Ursprungs und auch in
Deutschland vielfach zu sehen. Von der Straße führen etliche Stufen dnrch die angestrichene
Gassenthür in den etwas erhöhten Hausgang, welcher der ganzen Längsseite des in den
Hof hinein gedehnten Hauptgebäudes vorliegt. Vom Gange öffnet sich eine Thüre nach
der geräumigen und zumeist bemalten reinlichen Küche, in der man einen sauberen Herd
und glänzend gescheuertes, blankes Hausgeräth erblickt. Aus der Küche führt rechts und
links eine Thür nach den Zimmern. Rechts liegt die „Stnbe" (das Staatszimmer), die
in keinem deutschen Hause fehlt, aber nur als Festgemach zum Empfang von Gästen
benutzt wird. Dieses Zimmer pflegt den Stolz der Hausfrau zu bilden. Auf beiden Seiten
hochgethürmte Betten voll schneeweißer Kissen, vor denselben blaue, mit rothen Blumen
bemalte Holzbänke, in der Mitte ein ebenso verzierter Tisch, längs der Wände ein Schub-
ladenfchrauk, hohe Kleiderständer, hier und da auch schon Sophas, Rohr- und Armstühle,
eine Schwarzwälder Uhr, farbige Stellbrettcheu mit Blumentöpfen: dies ist die Einrichtung
eines solchen Staatszimmers. An dem Wandpfeiler zwischen den Fenstern, welche mit
weißen spitzenbesetzten Vorhangtüchern behängt sind, befindet sich eine altarartige Gruppe
von Heiligenbildern, vor der die andächtige Hanssran an den Vorabenden der Feiertage
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch