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bearbeitet er ein Viertel der Session für Rechnung der Eltern, denen er den Ertrag fertig
auf ihren Speicher zu liefern hat. Um die 3.000 bis 4.000 Gulden bar, welche der Mitgift
der jungen Frau entnommen werden, kaufen die Eltern wiederum Ackerland zur Erhaltung
und Verheiratung ihrer übrigen Kinder. Die zweit- und drittgeborenen Söhne erhalten
nach Maßgabe ihres Vermögens von ihren Bräuten gleichfalls eine Mitgift, während die
Töchter je nach dem Vermögen der Eltern mit barem Gelde abgefunden werden.
Bei Kindstaufen werden meistens für jedes Kind andere Pathen genommen.
Gewöhnlich erhalten die Kinder die Namen ihrer Tauspatheu. Beliebte Namen sind:
Johann (Hansi), Jakob, Adam, Peter, Kasper, Niklas, Philipp, Paul u. s. w. Unter den
weiblichen Namen: Margareth (Gretche), Mariann, Bärbl (Wawi), Eva (Evi), Anna
(Ammi), Rosl u. s. w. Zu Weihnachten, Astern und Pfingsten pflegen die Pathen (Göd,
Godl) ihre Pathenkinder zu beschenken.
Bei Todesfällen ist es Sitte, bei dem Todten zu wachen. War der Verstorbene
verheiratet uud bejahrt, so versammeln sich um ihn nur verheiratete und ältere Personen.
Bei jung Verstorbenen pflegt sich außer den Verwandten und Nachbarn die junge Welt
zu versammeln. An den Leichenbegängnissen nehmen Viele theil. Nach dem Begräbnis;
werden die Verwandten, guten Freunde, Nachbarn und Todtenträger zum Todteuschmaus
oder „Todtenimbs" geladen. Den Verstorbenen wird große Pietät gezollt. Zu Aller-
seelen werden ihre Grabhügel erneuert und bekränzt, man widmet ihnen Gebete, Messen,
Wachskerzen in der Kirche und ehrt ihr Andenken durch fromme Stiftungen.
Die hohen Festtage werden andächtig gefeiert.
Zu Weihnachten gehen Bethlehemskinder von Haus zu Haus und verkünden
singend die Geburt des Erlösers. Am Dreikönigstag werden sie durch Knaben abgelöst,
die als Könige maskirt sind und einen Stern einhertragen.
Am Tage St. Johannis des Evangelisten trägt man Wein in Flaschen zur
Kirche, wo derselbe gesegnet wird, um dann daheim bei Tische von Hand zu Hand zu
gehen uuter dem Spruche: „Sauct Johannis Segen, muß getruuke sin." An diesem Tage
wechseln die Dienstboten den Dienst. Die neuen Dienstboten und ihre mit Blumen bemalten
Truhen werden vierspännig nach dem Hause der neuen Dienstherren gebracht. Fällt aber
der Johannistag auf Mittwoch, so geschieht der Umzug der Dienstboten am Vor- oder
Nachtag, denn Mittwoch ist ein Unglückstag, an dem um keinen Preis etwas begonnen
werden soll. Die wohlhabenderen Bauern halten vier Dienstleute: den großen Knecht, den
kleinen Knecht, die große Magd und die kleine Magd. Der ältere Knecht genießt in einem
deutschen Hause großes Ausehen. Nach dem Herrn ist er die erste Person, die zweite
Stütze und Rathsquelle der Familie; er ißt immer am Tische mit und sitzt neben dem
Hausherrn.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch