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werden, selbst das jüngste, da aber das Oberhaupt die meiste Erfahrung besitzen muß,
wählt man meistens den Ältesten; daher der Ausdruck ,staresina* (der Alte), womit bei
den Slaven noch jetzt der Inhaber höherer Macht bezeichnet wird. Der Staresina hat
das entscheidende Wort in allen Angelegenheiten der Hausgemeinschaft. Er weist die
einzelnen Wohnränme zu nnd theilt die Arbeitszeit ein. Doch verlieren die Mitglieder der
Zadrnga trotz der großen Macht des Staresina weder ihre persönliche Selbständigkeit,
noch ihr Besitzrecht. Jedes Mitglied hat seinen gleichen Theil am gemeinsamen Besitz und
kann nebenher auch noch Privatvermögen erwerben, über das es nach Belieben verfügen
mag. Auch der Austritt ist gestattet, sowie die Aufnahme neuer Mitglieder. Das Leben in
der Hausgemeinschaft ist sehr einfach und fast alle Bedürfnisse werden durch die Haus-
industrie gedeckt. Jetzt indeß ist die Institution schon im Sinken begriffen. Am kräftigsten
gedieh sie bis aus die neueste Zeit iu der geweseneu uugarisch-kroatischen Militärgrenze, bis
ihre Aufhebung gesetzlich angeordnet wurde. — Werfen wir nnn eine» Blick auf deu
Lebenslauf des Serben, vor Allem auf seine Familienfeste.
Kindstaufe (krsterye). Sobald die Frau bemerkt, daß sie in gesegneten! Zustande
ist, flüstert sie es irgend einem Mitgliede des Hausstandes zu, da durch Geheimthnerei
das Kind in Gefahr schwebt, stumm zu werden. Gleich nach der Geburt eilt der Vater iu
der Regel zu seinem gewesenen Hochzeitsbeistand und bittet ihn, Taufzeuge zu sein. Diese
Einladung wird, selbst wenn es ungern geschieht, in jedem Falle angenommen; ihre
Ablehnung ist undenkbar, auch wenn es sich um den ärmsten Menschen handelt, der, um
einen Beschützer zu gewinnen, eine reiche, ansehnliche Familie angeht.
Nach der Einladung geht der Gevatter in das Haus, um das Kind zur Taufe zu
briugeu. Entweder er oder die Gevatterin muß es aber vorher dreimal über der Schwelle
auf und nieder schwenken. Nach der Taufe geht der Gevatter in das Haus zurück und
übergibt dort das sogenannte Taufgeld (Kvro2ills); dieses gehört der Kiudbetteriu, die
dafür meistens Leinwand auf Kinderhemden kauft.
Die Wohlhabenderen Pflegen bei der Kindstaufe die Verwandten und Freunde auch
zu bewirthen, welche ihrerseits dem Kinde Geschenke und Geld spenden. Das Mahl dauert
iu heiterer Stimmung oft bis zum Abend fort. Jeder Gast muß vou jeder Speise essen,
damit das Kind nicht wählerisch im Esseu werde. Der Vater ist, besonders wenn es einen
Knaben gilt, geradezu verschwenderisch, er kann gar nicht genug anbiete». Schließlich werden
die Schmausenden warm und tanze», damit der Hanf recht wachse, singend, zuweilen auch
uach dem Dudelsack (mit Ausnahme der Fastenwochen, sonst würden ihre Pflaumen von
den Bäumen fallen). Selbst im ärmsten Hause wird für diese Gelegenheit ein Eimer Wein
angeschafft. Schließlich eutferueu sich die Gäste singend, unter Segenswünschen für das
ganze Haus. Der Tanfpathe ist der Letzte.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch