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Tief im Wasser liegt ein Marmorklumpen,
Auf dem Marmor steht von Gold ein Humpen,
Drin ein' Handvoll Schnee von Eiseskälte;
Leg' den Schnee aufs Herz dir, aufs gequälte:
Wie der Schnee an deines Busens Gluten,
Schmilzt um dich mein Herz bis zum Verbluten!"
Unter den an den Verlauf des Kalenderjahrs gekniipften serbischen Festen ist das
erste das Weih nachts fest (boöic). Der Familienvater geht in den Wald und fällt eine
jnnge Eiche, von der er einen Klotz (backr^ak) heimträgt, wobei er sagt: „Gute»
Abeud! glückliche Weihnächte»!" Der Klotz wird auf das Feuer gelegt. Am Abend dieses
Festes (backnji <lc>n) streut der Familienvater Stroh auf den Stubenboden uud singt dabei
kirchliche Gesänge. Die Hausfrau setzt sich ans das verstreute Strvh, damit ihre Gluckhenne
die Eier richtig ausbrüte. Dauu schüttet er Weizen auf den Tisch, bindet ein rothes Band
quer darüber und legt so viele Stücke Knoblauch darauf, als die Familie Mitglieder hat;
hierauf geht er in den Stall uud gibt dem Vieh Salz zu lecken. Besitzt er Bienen, dann
bläst er so viele Male in jeden Bienenkorb hinein, als er Schwärme zu habeu wüuscht,
und bezeichnet diese Zahl durch ebenso viele Knoten an einem Bindfaden.
Früh Morgens geht man in die Kirche zur Frühmesse, wo denn der Priester mit
feierlicher Stimme verkündet: „Xiisws se roäi« (Christus ist gebore«); die Auweseuden
rufen darauf in starkem Chor: »Va istinu roäi« (Wahrlich, er ist geboren). Dann
umarmt sich Alles, sogar Feinde, welche diesen Augenblick ergreifen, um sich zu versöhnen.
Zu Hause augelaugt, umarmt sich die gauze Familie. Nach der Messe setzt sich die Familie
mit den Weihnachtsgästen (polaZaMk) zum Liebesmahl.
Morgens erscheint vor jedem Hause ein Besucher und wirft mit der einen Hand
Getreide zur Thür herein mit dem Rufe: „Christus ist geboren". Aus dem Hause streut
Jemand ebenso Getreide hinaus und antwortet: „Wahrlich, er ist geboren". Nnn tritt der
Besucher näher, schlägt mit seinem Stäbe auf den noch brennenden Eichenklotz, so daß
dieser Funken sprüht, und sagt: „So viel Funken, so viel Pferde, Ochsen, Schafe, Ziegen,
Schweine, Bienenkörbe, so viel Glück und Segeu wüusch' ich". Aus seiner Betonung werden
mancherlei Schlüsse auf die Erfüllung seiner Wünsche gezogen. Die Hausfrau bewirthet
den Besucher. Der breuueude Klotz wird dann gelöscht und im Obstgarten auf die Äste
eines jungen Obstbaumes gelegt, was den Obstertrag fördern soll.
Während des Mahles brennt eine in den Weihnachtskuchen gesteckte Wachskerze uud
die Familienmitglieder ruseu einander fortwährend zu: „Gottes Friede mit uns! wahrlich,
Christus ist geboren". Nuu wird auch die öesniea (große Pogatfche) gebrochen, in der ein
Geldstück versteckt ist: wer es bekvmmt, wird ein glücklicheres Jahr haben als die übrigen.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (2), Volume 9
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (2)
- Volume
- 9
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.56 x 21.98 cm
- Pages
- 682
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch