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von diesem Bann zu erlösen, muß es zum Fenster hinaus gereicht werden, wenn es zur
Taufe getragen wird. Andere sage», mau müsse zu diesem Zweck am siebenten Tage nach
der Geburt, uach volleudeter siebenter Woche und nach vollendetem siebenten Lebensjahr
gewisse Gebete darüber sprechen. Im Tolmeiu'scheu behauptet man, daß Vijedomaci und
Vosce nachts auf Kreuzwegen zusammenkommen und sich gegenseitig mit brennenden
Holzspänen derart schlagen, daß Hände, Füße, Ohren und andere Gliedmaßeu zu Boden
fallen. Vor Tagesanbruch wird alles wieder heil. Einstmalen wurden sie dabei von Jemand
belauscht, dem es gelang, die abgeschlagene Hand eines Mädchens zu sich zu stecken. Als
der Verlust bemerkt wurde, war rasch aus dem Holz eines Holuuderbusches eine neue
Haud geformt, welche das fehlende Glied vollständig ersetzte. Der Mora wird hochgradige
Bösartigkeit zugeschrieben; sie saugt neugeborenen Kindern alle Säfte aus, bis sie sterben.
Da wir uns uuu von den Slovenen auf eine Weile verabschieden, sei nur «och
erwähnt, daß die Bewohner von Sebrelje im Jdriathal als die Schildbürger unter den
Görzer Slovenen gelten. Einmal wollten sie das Spiegelbild des Mondes, das sie für
einen großen Laib Käse hielten, aus der Jdria fische«. Ein andermal beriethen sie eben
darüber, wie sie mit geringen Kosten ihre Kirche erweitern könnten. Da erschien ein Fremder
nnter ihnen und meinte, die Sache wäre sehr einfach; sie sollen nur ihre Röcke ablegen und
dann iu der Kirche sich mit den Schultern an die Mauer stemmen, bis er ihnen zuriefe, daß
es genug sei. Der Rath gefiel und wnrde alsbald ius Werk gesetzt. Sie warteten lange auf
deu verabredeten Ruf, und als sie die Ungeduld wieder ans der Kirche trieb, sahen sie sich
vergeblich nach dem schlauen Banküustler uud ihreu Röckeu um. Diese und andere schnurrige
Geschichten werden ihnen in die Schnhe geschoben.
Städte, insonderheit moderne Städte, wie es Görz ist, sind kein geeigneter Schauplatz
für Geisterspuk uud sageuhafte Kunde. Im mittelalterlichen Schlosse der Görzer Grafen,
welches anstoßend an die ältesten Gebäude der Stadt dieselbe überragt, soll es aber noch
vou Zeit zu Zeit bedenklich rumoreu. Dann erscheint den Wachen zu mitteruächtlicher
Stunde eiue jugendliche, wunderschöne Frauengestalt mit einem mächtigen Schlüsselbund in
den Händen in Begleitung eines Hündchens. Befragt, erklart sie, daß sie nicht früher Ruhe
finde» könne, als bis aus einem im Schlosse gewachsenen Baume eiue Wiege gezimmert
worden sein wird. Der Volksmuud ueuut die Erscheinung Gräfin Stellina, über die indeß
nur mehr die betagtesten Bewohner der oberen Altstadt Bescheid wissen.
Außerdem flüstern sie sich noch die folgende Schauermähr zu. Vor vielen, vielen
Jahren gebot im Görzer Schlosse eine gar grausame uud habgierige Gräfiu Katharina,
welche viele Knechte in ihrem Solde hatte und sieben mächtige Doggen besaß, abgerichtet,
auf einen Wink Jedermann zu zerfleischen. Da erschien einst in stürmischer Stacht am Thor
ein Bote, der von Aqnileja mit einem schweren Sack Goldes nach einem benachbarte»
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Das Küstenland, Volume 10
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Das Küstenland
- Volume
- 10
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.63 x 22.44 cm
- Pages
- 390
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch