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Schlosse gesandt war und des tobenden Unwetters wegen um Aufnahme bat. Die Gebieterin
gewährte ihm die Bitte, aber, von dem vielen Golde gereizt, ließ sie, da er am kommenden
Morgen weiter ziehen wollte, ihre Hunde durch einen ihrer Vertrauten auf ihn Hetzen.
Rasch erlag er im ungleichen Kampfe und nun uahm die Gräfin der Leiche die kostbare
Bürde ab, um sie eigenhändig zu ihren vielen, in unterirdischen Gemächern aufgehäuften
Schätzen zu legen. Der Diener, nicht minder der Habgier zugänglich als seine Herrin, folgte
ihr dahin nach und erschlug sie, da sie das Versteck wieder verlassen wollte. Doch auch die
zweite Blutthat war vergeblich unternommen worden. So emsig der ungetreue Knecht auch
suchen mochte, es wollte ihm nicht gelingen, den Ort aufzufinden, wo die Schätze verborgen
lagen. Seitdem erscheint in Zwischenräumen von sieben Jahren der Geist der Gräfin mit
fliegenden Haaren, in weiße Laken gehüllt und umgeben von ihren Hunden, die ein
entsetzliches Geheul anheben. Fände sich ein Unerschrockener, der den Geist nach dem
Aufbewahrungsort des Goldes früge, so fände er endlich Ruhe. Bis heute hat sich keiner
noch gefunden; eine Wache aber, die einmal nach dem Gespenst schoß, fiel bewußtlos zu
Boden uud verschied im selben Augenblick.
Noch sei eines artigen Geschichtchens gedacht, das sich das Volk von Görz erzählt.
Es ist dies „die wahre Geschichte von Tonetto Bnsetto". Es war einmal ein Schuster,
der schon lange Jahre mit seiner Ehehälfte im besten Einvernehmen lebte, obgleich ihr
Bund des Kindersegens entbehrte. Einstmal wollten sie in den Wald, selbander Holz zu
klauben, vorher aber stellten sie zum Feuer einen Topf mit Bohnen, die ihnen bei der
Rückkehr als bescheidenes Mahl dienen sollten. Da sie heimkehrten, fanden sie, daß die
Bohnen noch nicht gar waren; da gerieth der gestrenge Hansvater, der es nicht leiden
mochte, daß nicht alles genau nach seinen Wünschen gehe, in heftigen Zorn uud brach iu
die Worte aus: „Würden doch aus diesen Bohnen ebensoviele Kinder, die uns bei der
Arbeit helfen könnten!" Sieh' da — kaum waren diese unüberlegten Worte gesprochen, als
die Bohnen sich in Kinder verwandelten, welche der Reihe nach über den Rand des Topfes
auf den Herd hüpften. Meister Knieriem und seine wackere Hälfte erschraken nicht wenig
über diesen ausgiebigen Segen, und da sie diesen Geschöpfen nicht recht väterliche und
mütterliche Gefühle entgegenbringen konnten, wird man sie nicht so gar entmenscht finden,
daß sie nach Stöcken langten und die ganze Brüt, die sie doch nicht hätten nähren können,
flugs erschlugen. Wie häufig rascher That, folgte ihr auch diesmal die Reue auf dem Fuße.
Kaum war sie vollbracht, so seufzte das Paar im Verein: „Oh wäre uns wenigstens eines
geblieben, es hätte unsern schönen Birnbaum bewachen können!" „Da bin ich, Väterchen,
da bin ich", ließ sich da eine helle Kinderstimme vernehmen. Freudig angeregt machten sich
die Eheleute an die Suche und sandeu endlich den einzig Überlebenden in einem Stiefel
versteckt. Schier hätten sie ihn mit ihren Umarmungen erdrückt, doch sie wußten sich zu
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Das Küstenland, Volume 10
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Das Küstenland
- Volume
- 10
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1891
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.63 x 22.44 cm
- Pages
- 390
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch