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starren da die verwetterten Bruchstücke des Gebirges in die Höhe und als Staffage stellt
sich häufig genug ein Raubvogel ein, welcher durch die Farbe seines Gefieders, wie durch
seiu Wesen und Treiben eigens für ein solches Stück Welt geschaffen erscheint — der
große graue Geier, der vou solchen Zacken aus nach Beute umherlugt.
An mancher Stelle ist eine aus Steinen lose aufgebaute Hirtenhütte zwischen Felsen
eingeklemmt. Es ist dies eines der wenigen Anzeichen, daß der Mensch mit seiuen Bedürf-
nissen in diese Einöde eingreift. Andere Anzeichen solchen Eingreifens sind die Mauern,
von welchen hier und dort die Straße gegen die Bora geschützt wird, und andere Mauern
in irgend einer Doline, mit welchen der arme Mensch seinen kümmerlichen Acker, welchen
er sich dort an einer geschützteren Stelle angelegt hat, gegen die Weidethiere vertheidigt.
Wenn das Denkmal auch nicht erfreulich genannt werden kann, so fügt sich doch trefflich
in die von dieser Landschaft angeregte Stimmung das auf dieser Höhe uebeu dem Kirchlein
des heiligen Francisens errichtete Denkmal mit den Namen jener Wächter des Gesetzes,
die hier im Kampfe gegen Räuber gefallen sind.
Den Gedanken, wie dem Gesichtssinn erscheint es als Befreiung, wenn sich nach
solchen Engen urplötzlich das Meer aufthut, die blaue Fläche mit den Inseln und den
fernen Rauchsäulen der Dampfschiffe und den Ebenen des Landes, welche in Bläue mit
dem Meere verschwimmen. Bald, jenseits der kleinen Ansiedelung Podprag, erreicht der
Blick auch die grüne Zermanja, den Küstenstrom, der hier nicht mehr weit zn fließen hat
bis er den Felsengolf des „Meeres von Novigrad", einen wahrhaftigen Fjord, erreicht.
Gerade da vor Obrovazzo unter dem Friedhofe hat sie sich einen ungeheueren Tobel
eingerissen.
Das Meer von Novigrad gehört zur Reihe jener Bilder, die uns den Gedanken
nahelegen, daß man Dalmatieu, diese „Schweiz im Wasser", uicht minder richtig als ein
südliches Norwegen bezeichnen kann. Ein enger Felsendurchgang treuut es vom Kanale
della Moutagua, jenem engen Meeresarm zwischen dem Belebit und der Insel Pago, der
sich als Fortsetzung des Kanals della Morlaeca gegen Südosten in diese Berge herein-
zieht. Wie der Velebit von Sagen nmwoben wird, welche als menschliche Verdichtungen
seiner Wolkengebilde gelten können, so beweist auch das Aussehen der Ufer des „Meeres
von Novigrad" eine gewisse sinnbildliche Wechselseitigkeit, die zwischen dem Boden und
dem Treiben der Menschen auf ihm besteht. Die unheimliche, trotzige Landschaft wird
belebt von vielen Räuber- und Türkenlegenden und in dem weltverlasseueu Novigrad war
es, wo die Königin Elisabeth von Ungarn ein furchtbares Ende durch Erdroßlung fand.
Oberhalb des Meeres von Novigrad ist in den Velebit die nach dem gleichnamigen Bach
bezeichnete Schlucht der Großen Poklonica (auch Paklouica) eingerissen, an deren Rändern
sich stattliche Stände von Buchen und Schwarzkiefern erhalten haben, wohl die Überreste
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Dalmatien, Volume 11
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Dalmatien
- Volume
- 11
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1892
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.54 x 21.83 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch