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:nusik.
Die Länder der diesseitigen Käste des adriatischeu Meeres, namentlich Jstrien und
Dalmatien, waren schon in den frühesten Zeiten für die Mnsik von nicht geringer Bedeutung.
Von den Musikkundigen Dalmatiens aus altchristlicher Zeit erwähnt die Geschichte den
heiligen Hieronymus, der im Jahre 329 zu Stridon (Zrinj) von christlichen Eltern
geboren wurde und seine Studien in Rom machte. Er wird als der Erfinder der kanonischen
Stunden, nämlich jener Gesänge bezeichnet, welche die Klostermönche und die Domherren
zu bestimmten Stunden des Tages zu singen hatten. Hieronymus war aber nicht nur ein
geschulter Sänger, sondern auch iu der Instrumentalmusik bewandert, was aus einem an
Dardanus gerichteten Briefe hervorgeht.
Mit diesen Elementen antiker Musikübung, wie sich dieselbe vorzüglich an Kirche»
und in Klöstern erhielt, kam nun nach seiner Einwanderung das gesangslustige und musik-
begabte Volk der Kroaten in Berührung, welches diese Kunst zunächst allerdings nur in
ganz primitiver Art übte, aber infolge seines Nachahmungstriebes bald ebenso nachhaltig
von der griechischen und römischen Musikpraxis angeregt wurde, als es selbst wiederum
anregend und befruchtend auf die letztere wirkte. Freilich gilt dies zunächst nur von jenen
Kroaten, welche mit der römischen Stadtbevölkerung in unmittelbare Berührung kamen.
Jener Theil des kroatischen Volkes, welcher seinen Sitz in den Bergen Dalmatiens
aufschlug oder sich in den Hinterländern Bosnien und Kroatien niederließ, verblieb bei
seiner alten Musikübung, welche zu erhalten die angelegentlichste Sorge der slavisch-
katholischen Geistlichkeit war und blieb. Das Volk sang seine Nationallieder nach alten
Weisen, dichtete siugeud neue Liedtexte, improvisirte neue Melodien nach Art der alten
oder erfand neue Formen.
Die Liederproductiou des kroatischen Volkes ganz besonders in Dalmatien grenzt
ans Fabelhafte, ebenso auch sein Liedgedächtniß. Die siebzigjährige, des Lesens und
Schreibens unkundige Hirtin Anna Begin aus Sipau bei Ragusa sang noch vor einigen
Jahren einem katholischen Priester 40.000 Verse vor, der Sänger Salko Vojnikovic
aus Bosnien sang oder recitirte sogar 86.000 Verse. Diese Lieder, von denen manche
2.000 bis 3.000 Verse haben und von denen Goethe und Grimm behaupteten, daß viele
mit Homers „Jliade" wetteifern können, sind echte und wahre Produete des Volkes, also
nicht von gebildeten Personen gedichtete nnd vom Volke erlernte, das ist popularisirte
Gesänge.
Die Lieder werden entweder ohne Begleitung eines Musikinstrumentes oder im
zweistimmigen Chor oder aber mit Begleitung der Gusle, Gega oder der Tauburiza
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Dalmatien, Volume 11
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Dalmatien
- Volume
- 11
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1892
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.54 x 21.83 cm
- Pages
- 370
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch