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es, daß das Räkosgefilde ehemals ein so berühmter Lagerplatz war, wo sich viele
Tausend Menschen und Pferde versammeln konnten.
Selbst das unwillkommene Geschenk der Natur, der Flugsand der Oberfläche,
war von Nutzen für die Entwicklung der Stadt Pest. Er machte die Hausstellen billig
und verhinderte, daß der Städter Laden und Werkstatt verließ, um sich zum Ackerbau
verleiten zu lassen. Das war ein gebieterischer Fingerzeig des Schicksals, Kaufmann,
Geschäftsmann, Schiffsmann, Fuhrmann und Gewerbsmann zu sein. Auch förderte ihn
die Natur hierin, indem sie in seiner Nachbarschaft alle Arten von Baumaterial in
ungewöhnlicher Menge aufhänfte. Die Steinbrucher Hügel, die gegen Süden aus dem
Rakosfelde aufragen, lieferten guten Lehm für die Ziegelbrenner, während das Innere
des Hügels aus leicht zu bearbeitendem Kalkstein (Cerithinm) besteht, der im Steinbruch
weich ist, an der Luft aber erhärtet. In den älteren Gebäuden Pests spielt dieser Stein
die Rolle der Ziegel. In der That, der Ort verdient seinen Namen „Steinbruch". Und
die großen Höhlen, welche durch die Gewinnung des Steines entstehen, sind beinahe
ebensoviel werth als das entnommene Baumaterial selbst. Die ungeheuren Kellerräume
wareu es, welche zuerst die Weinhändler dahinlockten und in neuerer Zeit auch zur Ent-
stehung riesiger Bierbrauereien führten. Solche Keller gibt es auch bei Promontor am
rechten Ufer, wo sich die Menschen in dem nämlichen Kalkstein förmlich bequeme
Wohnungen, jede mit einem kleinen Hof, ausgehöhlt haben. Das Ofner Ufer besitzt außer
Kalk und für Ziegel wohlgeeignetem Lehm noch mehrere Arten von Baustein. Überdies
wird auf der Douau für Pflasterungszwecke eine Menge Trachyt aus dem Visegräder
Gebirge und eine Art rother Marmor von dem jenseits Grans gelegenen Piszke zugeführt.
Auch das Bauholz flößt die Donau in großer Menge aus dem Oberlande herab.
Dies sind jene ständigen und seit Jahrhunderten unveränderlichen materiellen
Faetoren, welche Budapest zum Range einer Hauptstadt erhoben uud besonders Pest zu
einer wahren Großstadt gemacht haben. Es ähnelt Berlin auch dariu, daß es an alten
Denkmälern wohl mit anderen Großstädten Europas nicht wetteifern kann, dafür aber
durch die Thätigkeit der bürgerlichen Architektnr fortwährend neue Straßen und Stadt-
theile entstehen sieht. Verkehr und Handel, besonders in Rohprodukten, sind lebhaft und
die Stadt ist der Mittelpunkt des politischen, wissenschaftlichen uud künstlerischen Lebens
von Ungarn, umsomehr als die anderen Städte des Landes nicht in zweiter, sondern erst
in dritter Reihe hinter der Hauptstadt folgen. Indeß hatten Pest und die Ufertheile Ofens
neben den hervorgehobenen natürlichen Vortheilen auch mit einem großen Nachtheil zu
rechnen; es sind dies die in jedem Jahrhundert öfters vorkommenden Überschwemmungen,
welche die Entwicklung der Stadt aufhielten, zeitweise auch zurückdrängten. Der größte
Theil des heutigen Pest ist innerhalb des Überflntnngsraumes der Donau erbaut.
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Volume 12
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (3)
- Volume
- 12
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.49 x 21.91 cm
- Pages
- 626
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch