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Im Zauber seines geheimnißvollen Schwarz, vom gestirnten Himmel überspannt
bei der leisen Musikbegleitung des dahiurauscheuden Stromes, im Schooße der ruhenden
Nacht, stumm und regungslos ist dies ein ergreifendes Schauspiel. Und wiederum welch
ein Gegensatz, wenn im Osten das Tageslicht emporwächst und das Leben in die
Straßen hineinflutet. Alles entwindet sich der Nacht und nimmt seine eigene Farbe an.
Ströme von Menschen wälzen sich einher, ein Zittern geht durch die Luft von dem
Geräusch tausendfältigen Lebens; auf der Donau geräth die Menge der Schiffe in
Bewegung: flinke Propeller, die zwischen den Ufern hin- und wiederlaufen, vornehme
Reiseschiffe und leichtere, wie sie dem Localverkehr dienen, schlanke Schlepper, tief-
tauchende Fischerbarken und ein Schwärm leichter Obst- nnd Grünzeugkähne von den
Dörfern her. In ihrer Strömung gestaut, schäumt die Douau in Wirbeln auf und peitscht
mit ihren Wellen die Steinmauern, durch welche die menschliche Arbeit sie gebändigt hat.
Zwillingskindern am Mutterbusen gleich liegt die Doppelstadt am nährenden
Strome, rechts und links. Von der Donau stammt ein großer Theil ihrer Schönheit und
Größe. Die Donau erhält ihr die Gesundheit, ist aber freilich auch zuweilen die Quelle
ihrer Gefährdung. Und wie richtig hat sich das städtische Leben in diese mächtige Schöpfung
der Natur getheilt! Dem rechten Ufer entlang, im Schatten der prächtigen Königsburg
reihen sich Spaziergänge und Ruheplätze. Dies ist der stillere Bezirk des Hofhalts und
herrschaftlicher Lebensweise, nur hier und da unterbrochen durch einen Landungsplatz
der Überfahrenden. Wie anders am linken Ufer, wo kein Fußbreit Boden zu finden,
der nicht mit Beschlag belegt wäre durch den Unternehmungsgeist, die Arbeit, den
Wettbewerb. Hier stößt ein Landungsplatz an den anderen. So lang der Quai ist, hat
man ihn bis unter das Straßenpflaster mit kellerartigen Waarenlagern und Laderäumen
unterbaut. Obenhin geht der Pfad der Spaziergänger. Auf dem unteren Qnai folgen
wiederum Magazine, Schuppen, Lagerräume. Auf dem Wasser liegt Schiff an Schiff,
vom Steinbord ragen Hebemaschinen und Krahne ans zwischen Transportmitteln jeder
Art. Gegen das Südende des Quais hin wimmelt das Leben des Obstmarktes, weiter das
Heerlager der Töpfer, in ihrer Nachbarschaft das lärmende Gewühl des Geflügelmarktes,
und schließlich folgt, unterhalb des Hauptzollamtes und Elevators, ein Lastenbahnhof der
ungarischen Staatsbahnen, dessen durcheinanderlaufendes Schienennetz weit hinab reicht
bis zur Eisenbahnbrücke, der letzten, welche die Donau umarmt, dort, wo sie aus dem
Stadtgebiet hinaustritt, um, in zwei Arme gespalten, die zehn Meilen lange Csepelinsel
zn umfangen und dann ihren Weg nach Süden fortzusetzen.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Volume 12
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (3)
- Volume
- 12
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.49 x 21.91 cm
- Pages
- 626
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch