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Erscheinungen der ganzen Periode. In seinen Mußestunden war der König, einem Cosimo
de' Medici gleich, von Dichtern, Geschichtschreibern, Philosophen, Rednern, Kirchenvätern,
Grammatikern und Künstlern umgeben. „Ich habe," schreibt ein Zeitgenosse, „sämmtliche
Bücher angesehen, doch was sage ich: Bücher? Schätze, so viele als dort Bücher waren...
Ich sah ein unschätzbares Exemplar der apostolischen Canones, des Theodoretus Cyreuensis
vollständige Erläuterungen zu den Psalmen, die Werke des Chrysostomus, Athauasius,
Cyrillus, Gregorius von Nazianz, Basilius des Großen und noch Anderer, gar nicht zu
gedenken der Dichter, Redner, Philosophen, die ich scharenweise vor mir stehen sah." Es
war in der That der Geist des Alterthums, der diese Gesellschaft umschwebte; in ihr
spiegelte sich die ganze damalige Cultur und sie brachte einen tiefen Riß in das geistige
Leben Ungarns. Einige Bischöfe folgten Matthias mit Lust im Dienste der antiken Ideale.
Es fand sich sogar ein Kirchenfürst, der selbst zur Leier griff und sich zum Wettkampf mit
den Elassikern erhob: Janus Pannonins. Auf Matthias' Wunsch gründete der Ofner
Probst Ladislaus Gereb 1472 die erste ungarische Druckerei in Ofen, indem er den Buch-
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Schluß eines Druckwerkes ^kronicoQ Ludere", der ersten Buchdruckerei Ungarns (1473).
drucker Andreas Heß aus Deutschland berief, der gleich nach Beginn seiner Thätigkeit
schon im nächsten Jahre das (ükronicon kuckense druckte.
Aber all dies erscheint in der Geschichte der ungarischen Literatur nur als ein kurzer,
wenngleich glänzender Traum. Matthias starb früh und es folgten heftige politische
Kämpfe, so daß der fremde Geist des Humanismus nicht Zeit fand, sich mit dem Eigen-
wesen der ungarischen Nation zu verschmelzen. Der schimmernde Blütenstaub der
Renaissance verwehte, ehe er noch den eigenthümlichen Geist der Nation befruchten
konnte. Die ungarischen Humanisten blieben der Fortentwicklung der ungarischen Sprache
und Literatur fern, sie versuchten sich gar nicht darin. Die Pflege der Literatur und
Sprache blieb der Classe der Mönche und Spielleute überlassen; jene entwickeln die
geistliche, diese die weltliche Literatur, namentlich die Volkspoesie weiter. Der Mönch
übersetzt meist für seine eigenen Genossen die Bibel oder verfaßt Hymnen für das Volk.
Die Nonnen besonders, wie Lea Räskai, Martha Sövenyhazi, Katharina und Andere,
schreiben mit großem Eifer die schon fertigen Übersetzungen ab, die aus drei Hauptquellen
fließen: der aurea des Jacobus a Voragine, den großen Werken Pelbarts von
Temesvär und den schon seit langem benützten Hymnen der katholischen Kirche. Diese
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Volume 12
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (3)
- Volume
- 12
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.49 x 21.91 cm
- Pages
- 626
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch