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Außer diesen Schriftstellern waren noch viele andere bestrebt, das Volk mit Lesestoff
zu versehen, doch seien hier nur diejenigen erwähnt, die den Geist dieser Schule mit den
Errungenschaften der classischen Richtung zu verknüpfen suchten. Johann Földi drang
durch seine Gedichte uud Abhandlungen darauf, daß Reim und Metrum vereinigt werden
sollten. Sein Nachfolger war Michael Fazekas, der in seinem berühmten Werke: ,I^u«Zas
ülatz'i« (etwa: Matthias Gänsemann) zum ersten Male die Stimme erhob, um die
Menschenrechte der unterdrückten Hörigen zu vertheidigen, indem Matyi, welchem der
tyrannische Gutsherr Döbrögi seine zu Markte getragenen Gänse wegnehmen und obendrein
eine Tracht Prügel geben ließ, seinem Gelübde getreu ihn seinerseits dreimal durchprügelt
und so seine Rache kühlt.
Mehrere begabte junge Dichter bemühten sich zu derselben Zeit, die Richtungen der
erwähnten Dichterschulen zu vereinigen, ja sie zogen selbst die deutsche Poesie in den Kreis
ihrer Studien. Sie erklärten als ihr oberstes Prinzip das künstlerisch Schöne und ent-
lehnten die poetischen Formen bald der alten ungarischen Dichtung, bald der classischen
Schule oder der französisch-deutschen Poesie. Unter den Männern dieser Richtung war
Franz Kazinezy der thätigste und geschmackvollste Schriftsteller, der seine neuen ästhetischen
Grundsätze in der Theorie und Praxis gleich eifrig zu verwirklichen trachtete. Neben
Kazinczy wirkten Franz Verseghi, Johann Bacsanyi , Ladislans Szent jöbi -Szabö
und Gabriel Dayka für die Verschmelzung der verschiedenen Richtungen und bereicherten
die Literatur mit werthvollen Werken. Sie waren meist Lyriker und schrieben Oden uud
Elegien, Epigramme uud Satyreu, auch versuchten sie sich nach deutschem Muster in dem
kunstmäßigen Liede, indem sie die Elemente der Empfindsamkeit, Anmuth uud des leichten
Reizes in glücklicher Mischung mit ihrer magyarischen Auffassung und einfachen Ausdrucks-
weise zur Anwendung brachten.
Neben Kazinczy erzielten Verseghy und Bacsanyi eine bemerkenswerthe Wirkung
nicht nur als Dichter, sondern auch als Ästhetiker und Sprachgelehrte. Verseghy unter-
suchte das melodiöse Element des Verses, das heißt die Natur des Rhythmus und kämpfte
für das Zeitmaß; Bacsanyi verkündete die Ideen der französischen Revolution, agitirte
gegen die bestehenden Gewalten und schwärmte für die Freiheit nicht nur des unterdrückten
ungarischen Volkes, sondern der Menschheit im Allgemeinen. Jener erwarb seinen größten
Ruhm als Sprachphilosoph, dieser als der Erste, welcher Ossiau in ungarischer Sprache
wiedergab und mit künstlerischem Sinne würdigen lehrte.
Diese Dichterschulen haben viele Eigenschaften mit einander gemein und sind
ein getreuer Ausdruck der Zeit, in der sie entstanden. Ihre bezeichnendste gemeinsame
Eigenschaft ist das starke patriotische Gefühl, das durch ihre Werke weht. Ihre
Richtungen also sind verschieden, das Ziel ihrer Kämpfe jedoch ist eines: die Ausbildung
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Volume 12
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (3)
- Volume
- 12
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.49 x 21.91 cm
- Pages
- 626
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch