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schafts- und Sittenbilder aus dem Alföld gehören durch lebensvollen Reichthum der Farbe
und poetische Sprache zu den schönsten Gebilden der ungarischen Prosa. Die heiteren
Seiten der heimischen Gesellschaft, die Seltsamkeiten des Lebens in Hauptstadt und Provinz
fanden ihre Darstellung in dem Werke: „Ungarische Geheimnisse" von Jgnaz Nagy
und allerlei größeren und kleineren Novellen dieses Schriftstellers. Als Humorist that sich
Albert Päkh in seinen Genrebildern hervor.
In den Vierziger-Jahren trat auch Maurus Jökai auf, der fruchtbarste ungarische
Romandichter, mit dem sich kaum ein anderer ungarischer Schriftsteller an Popularität
vergleichen kann. Ungewöhnlich reich an Erfindung, von erstaunlich lebendiger, oft
schrankenloser Phantasie, ein flüssiges, lebhaftes, niemals ermüdendes, vielmehr immer
unterhaltendes Erzählungstalent, als welches sich sein Genie am wirksamsten kundgibt,
hat er nicht nur das ungarische, sondern das ganze europäische Lesepublikum erobert. Von
1846 angefangen, da sein Roman: „Wochentage" (lletküönapok) erschien, bis auf den
heutigen Tag hat er das ihm entgegengebrachte Interesse unaufhörlich durch neue Romane
und kleinere Erzählungen gesteigert. Es sind bisher etwa zweihundert Bände von ihm
erschienen, darunter allerdings auch politische, humoristische Gedichte uud Schauspiele, zum
größten Theil jedoch erzählende Prosa. Auf diesem Gebiete knüpft sich an seine Thätigkeit
dieselbe große Waudlung wie an die Namen Tompa, Petöfi und Arany in der lyrischen
und epischen Dichtung. Auch Jökai impfte der erzählenden Prosa als auffrischendes und
bereicherndes Element das Volksmäßige ein. Auch er machte eine Auswahl der schönsten
Volksmärchen, Sagen, charakteristischen Ausdrücke, Sprichwörter, kernmagyarischen
Redensarten uud verarbeitete sie überaus zahlreich mit künstlerischem Sinn und dabei
leicht, natürlich, originell, zu seinen eigenen Zwecken, gerade als hätte sein Genie Alles
aus sich selbst geschöpft. Niemand versteht es, die malerischen Farben des realen und
idealen Lebens lebendiger zu mischen, Niemand hat einen natürlicheren, fließenderen,
frischeren Vortrag als er. Seine Sprache ist urwüchsiges Magyarisch. Er verwendet auch
die Ausdrücke des Volkes, ja selbst einen großen Theil der Provinzialismen, und zwar stets
an der rechten Stelle. Seine Zauberkraft liegt gerade in der Verwendung dieser für
Jedermann verständlichen und genießbaren Sprache, in der wundersamen Pracht und
tausendfachen Mannigfaltigkeit seines Eolorits, in seinem Alles vergoldenden, unerschöpflich
heiteren Humor, in der an die Volksmärchen erinnernden Einfachheit, durchsichtigen
Reinheit, unvergleichlichen Lebendigkeit und Klarheit seiner Erzählungsweise.
Jökai hat eine große Anzahl historischer und socialer Romane geschrieben. Er entlehnt
seine Stoffe nicht nur dem heimatlichen, sondern gern auch dem ausländischen Leben. Seine
besten Werke sind bei alledem diejenigen, deren Handlung in der nahen Vergangenheit,
besonders in den Fünfziger- und Sechziger-Jahren, oder in den bewegten Zeiten vor und
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Volume 12
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (3)
- Volume
- 12
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.49 x 21.91 cm
- Pages
- 626
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch