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Erläuterung der Epen Vörösmartys und begann Stoff zu sammeln für die Geschichte der
ungarischen Literatur. Bajza befaßte sich viel mit der Theorie der einzelnen Kunst-
gattungen, schrieb jedoch blos die Theorie des Epigramms und Romans nieder, die des
letzteren nur bruchstückweise. Er studirte mehr die Meinungen der Kunstrichter als aus-
gezeichnete Werke. In seinem Kampfe für das Ideal des Klassisch-Schönen scheuchte er
viele talentlose Versemacher vom Felde der Literatur hinweg und legte manche veraltete
Lehrmeinung in Trümmer. „Mit scharfer Dialektik", schreibt Gyulai, „vertheidigte er die
neueren Errungenschaften der Sprache und Dichtung und zerbrach im sicheren Gefühl des
Triumphes die gegen die Kritik bestehenden Vorurtheile, die irrigen Begriffe, die sich an
deren Natur, Wirkungskreis und Rechte knüpfen." Durch seine Zeitschriften von strenger
und bestimmter Richtung gewöhnte er die Leser an einen feineren Geschmack und errang
ein solches Ansehen, daß die neueren hervorragenden Talente sich sämmtlich um ihn und
seine Genossen scharten.
Franz Toldy (1805 bis 1875) gehört zu jenen ungarischen Schriftstellern, welche
die größte Wirkung hervorgebracht haben. Er ist der getreue Verbündete Vörösmartys
und Bajzas, die er an Kenntniß der ausländischen Literatur übertrifft, und hält gleichsam
die älteren und neueren literarischen Parteien zusammen. Über ein halbes Jahrhundert
war er als Schriftsteller thätig und diente der ungarischen Literatur und Wissenschaft mit
einer Begeisterung und Ausdauer, daß von 1830 bis 1875 auf diesen Gebieten kaum
eine nennenswerthe Bewegung vorkam, kaum eine belletristische oder wissenschaftliche
Zeitschrift gegründet wurde, deren Anbahner oder wenigstens Hauptstütze er nicht gewesen
wäre. Die patriotische Begeisterung verband sich in ihm mit dem Fleiß des Forschers, und
von 1830 bis an seinen Tod erweckte er nicht nur die begrabenen Schätze der alten
ungarischen Literatur zu neuem Leben, sondern gab auch die Werke fast aller bedeutenden
älteren Schriftsteller Ungarns in sorgfältiger Redaction, mit Biographie und Würdigung
des Autors heraus. Von einem außerordentlichen Interesse für die ungarische Literatur
und Nationalität beherrscht, feuerte er eine ganze Gruppe von Schriftstellern zur Arbeit an,
indem er ihnen die Richtung wies und, in der ersten Hälfte seiner Laufbahn nur auf
dem Gebiete der schönen Literatur, später auch aus dem der Wissenschaft, Ideen gab; seit
Kazinczy hatte die Literatur keinen so energischen Agitator gehabt als Toldy. Er arbeitete
außerordentlich viel und schrieb Werk auf Werk, er war stets unter den Führern der
Akademie und der Kisfaludy-Gesellschaft, er redigirte verschiedene literarische Unter-
nehmungen, von der Herausgabe der Sprachdenkmäler und historischen Quellen angefangen
bis zu der seither ins Stocken gerathenen Sammlung alter ungarischer Dichter, von den
Werken Zrinyis bis zu der erste» vollständigen Ausgabe der Werke Vörösmartys, und
begründete die pragmatische Literaturgeschichte, deren wahrer Vater er ist.
Ungarn III. 22
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Volume 12
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (3)
- Volume
- 12
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.49 x 21.91 cm
- Pages
- 626
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch