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nicht zustande gekommen. Gestört wurde sie durch jene nationalen Elemente, die namentlich
in den ungarischen Volksgesängen fortlebten und auch zur Zeit der Reformation erhalten
blieben. Auf diese bezieht sich der Beschluß einer vom Grauer Erzbischof Nikolaus Olah
im Jahre 1560 abgehaltenen Synode, wodurch es unter schwerer Strafe verboten wird,
für kirchliche Zwecke solche Gesänge, sei es mit volksthümlichem (das heißt magyarischem),
sei es mit lateinischem Text zu verwenden, von denen es nicht sicher sei, daß die Kirche sie
schon vor hundert Jahren angenommen habe, oder die als Producte der Gegenwart nicht
der Billigung durch die zuständige Obrigkeit unterliegen, damit nicht das seiner Natnr nach
religiöse ungarische Volk unter dem Scheine des Glaubenseifers irregeleitet werde, „wie
leider schon an mehreren Orten geschehen". Aus diesem Synodalbeschluß geht vor Allem
hervor, daß es volksthümliche Gesänge gab, die um hundert Jahre älter waren. Daß
diese rein magyarisch gewesen, bezeugen die gedruckten Gesangbücher des XVII. Jahr-
hunderts. unter deren Melodien auch die Producte der früheren Jahrhunderte fignrireu,
mit der Aufschrift „alte Weise" bezeichnet und im Sinne jener Synode gutgeheißen. Ferner
entnimmt man daraus, daß das ungarische Volk schon in den Jahrhunderten vor der
Reformation an dem Rituale theilgenommen hat.
Der eigentliche Zweck der erwähnten Synode, nämlich den protestantischen Gesängen
einen Damm zu setzen, ward nicht erreicht. Darum wurde durch Erlaß Ferdinands I, vom
14. Juni 1564, unter strenger Wahrung der Controle, dem Volksgesang die neue
Besugniß ertheilt, auch uach dem heiligen Meßopfer dem kirchlichen Geiste entsprechende
Hymnen oder mit Respousorieu verbundene Psalmen ungarisch zu singen.
Nach dieser Concession befaßt sich erst im Jahre 1611 wieder eine Synode mit dem
Kirchengesang. Der Papst verordnet nämlich, daß das Rituale des Tridentiner Concils
eingeführt werde. Hätte man dies zu jeuer Zeit auch in Ungarn befolgt, so hätte man das
ungarische Volk seiner durch Jahrhunderte geheiligten nationalen Gesänge beraubt, gerade
zu einer Zeit, wo der Protestantismus diese Rechte anerkannte und seineu Anhängern
Gesänge in der nationalen Sprache schenkte. Ein solches Vorgehen hätte die Anhänger
der Kirche dem Protestantismus in die Arme getrieben. Wahrscheinlich sind es solche
Gründe, mit denen Cardinal Franz Forgacs seine in dieser Sache an Papst Paul V.
gerichtete Denkschrift stützt. Diese Vorstellungen fanden in Rom Gehör und das Rituale
mit den gewohnten magyarischen Gesängen blieb; erst 18 Jahre später (1629) nahm die
unter Peter Päzmäuy abgehaltene Synode zu Tyruau die Angelegenheit wieder in dieHand.
Da die bisherigen Synoden nicht vermocht hatten, der Ausbreitung der protestantischen
Gesänge zu steuern, verfügte nun Päzmäuy, daß die handschriftlichen Gesangbücher unter
der Aufsicht einer besonderen Commission in Druck zu legen seien, außer diesen aber in
der Kirche und bei Processionen nichts gesungen werden dürfe. Damit hörte das willkürliche
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Volume 12
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (3)
- Volume
- 12
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.49 x 21.91 cm
- Pages
- 626
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch