Page - 416 - in Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild - Ungarn (3), Volume 12
Image of the Page - 416 -
Text of the Page - 416 -
41k
Kalkschichte von Jahrhunderten ihre verblichenen Farbenflecke sichtbar geworden. Seit
einein halben Jahrhundert ist manche solche Entdeckung gelungen und einzelne Malereien
verrathen die interessante Thatsache, daß ihre Urheber (deren einheimische oder fremde
Herkunft heute wohl nicht mehr festzustellen ist) sich nicht nur auf die herkömmliche»
Darstellungen von rein kirchlichem Charakter beschränkten, sondern auch gleichzeitige oder
jüngstvergangene politische Ereignisse verewigten. Als interessantes Beispiel für den
weiteren Gesichtskreis dieser Wandmalereien und ihr Hinausschweifen über die Tradition
des Zeitgeistes erwähueu wir das Wandbild der Giselakapelle zu Veszprim und das der
Kirche zn Tnrniese, welches eine Episode aus der Legende König Ladislans des Heiligen
darstellt: desgleichen besitzt der ursprünglich romanische, dann gothisch umgebaute und
erweiterte Dom zu Kirchdrauf (Zips) ein Wandbild, das eine kirchliche Handlung mit
politischem Hintergrunde darstellt. Viele andere, da nnd dort erhalten gebliebene Wand-
gemälde, die bei der Abtragung oder Umgestaltnng der betreffenden Gebäude zum Vor-
schein kamen, sind leider, ehe noch ein Kunstforscher sie zu Gesicht bekommen, durch die
Sorglosigkeit der Ortsbewohner zu Grunde gegangen.
Die kirchliche Gothik bedürfte auf ihremWege uach Osteu beinahe eines Jahrhunderts,
um nach Ungarn zu gelangen, wo sie erst Wurzel faßte, als sie in ihrer Heimat bereits zu
entarten und aufzuhören begann. Natürlich wurde auch den kirchlichen Malereien dieser
Zeit kein besseres Los zu Theil, als deu früheren. Nur an wenigen Orten konnten sich
Tafelbilder und in Öl gemalte Altarblätter des XV. und XVI. Jahrhunderts erhalten,
welche unbestreitbar den Einfluß der deutschen Kunst zeigen, ja mit ihr fast identisch sind.
Doch sind die wenigen noch vorhandenen Werke dieser Art meist rohe Arbeit und nicht
geeignet, ein reines Kunstinteresse zu wecken. Eine Ausnahme bildet etwa die ziemlich
gut erhaltene Folge von 48 Bildern, die den Hauptaltar des Kaschauer Doms schmückt;
sie stellt Scenen aus der Geschichte der Jungfrau Maria und der heiligen Elisabeth dar
und wird dem Wohlgemnth oder doch einem seiner besten Schüler zugeschrieben. Das
einzige weltliche Baudenkmal gothischen Stils ist das schöne, ganz freistehende Rathhans
zn Bartfeld, das aber keine bcmerkenswerthen alten Bilder aufzuweisen hat.
Der milde Hauch der Renaissance weckte auch in Ungarn eine beispiellose Ent-
wicklung, welche die glänzendste Zukunft verhieß, aber sie währte nur kurze Zeit. Nach
Matthias' Tode tritt die Reaction ein, die Rückbildung, die Entartung der nationalen
Sitten und Bestrebungen. Unter seinem Nachfolger Wladislaw II. gewinnt die Oligarchie
die Oberhand und ihre zügellose Gewaltherrschaft artet unter Ludwig II. dermaßen aus,
daß die königliche Hofhaltung in Ofen förmlich zur Earicatur erniedrigt wird. Dann
folgen Thronstreitigkeiten, die türkische Herrschaft, Religionshader, lange Bürgerkriege;
es beginnen die Feldzüge, deren Zweck die Verdrängung der Türken ist, und erstrecken
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Volume 12
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (3)
- Volume
- 12
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.49 x 21.91 cm
- Pages
- 626
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch