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Begeisterung. Die übrigen Gruppen sind nach ihren symbolisch ausgedrückten Eigenschaften
und deren Jdeenverwandtschaft in erfindungsreicher Weise verknüpft und erinnern den
Beschauer an die in der Musik herrschenden Grundstimmungen: die Gruppe der Venus
steht für Anmuth und Reiz, die des Jupiter für Hoheit, Bacchus für heitere Sinnlichkeit,
noch andere Gruppen für das Naive, das Leidenschaftliche, das Trauervolle. Karl Lotz
bekundet in diesen mythologisch-allegorischen Malereien ein der Antike nahe kommendes
Formgefühl, dagegen in seinen Fresken für das Treppenhaus des Nationalmuseums und
für die Franzstädter Kirche eine hohe geschichtliche und nationale Auffassung. Diese seltenen
und vornehmen künstlerischen Eigenschaften lassen es als großen Gewinn erscheinen, daß er
sich auch entschlossen hat, seine Kunst in einer öffentlichen Fachschule zu lehren. Bedeutenden
Antheil nahm Lotz auch an der inneren Ausschmückung des Doms zu Fünfkirchen, der neuer-
dings unter Leitung des Wiener Dombaumeisters Friedrich Schmidt in der alten Pracht
wieder hergestellt worden ist. Der Löwenantheil der umfassenden Aufgabe, namentlich
die Wandmalereien des Sanctnarinms und des Hauptschiffes, ist zwei ausländischen
Meistern, dem Rheinländer Andreä und dem Berliner Beckerath zugefallen, die sich zu
diesem Lweck mehrere Jahre in Ungarn aufhielten. Mit der Ausmalung der das Schiff
umfassenden Kapellen wurden später Karl Lotz und Bartholomäns Szekely betraut; durch
die stilgerechte Durchführung dieser Arbeit haben sie sich jenen zum mindesten ebenbürtig
erwiesen. Auch die Wandgemälde im Prunksaal des Budapester Palastes der ungarischen
Akademie der Wissenschaften nähern sich bereits der Vollendung; es sind dies, nebst
Allegorien der einzelnen Wissenschaften, die bedeutendsten Momente aus der wissenschaft-
lichen und geistigen Entwicklung der Nation in charakteristischen Bildern der Hauptepochen
dargestellt. Karl Lotz hat bei der glücklichen Durchführung dieser großen Aufgabe alle
iu der Natur des Programms, wie in der Beschaffenheit des verfügbaren Raumes gelegenen
Schwierigkeiten mit Aufwand aller Hilfsquellen seiner gereiften Auffassung und Technik
überwunden, zum unvergänglichen Ruhme unserer Zeit, der das Glück zutheil geworden,
ohne die herkömmlichen Vorstufen sogleich eine hohe monumentale Kunst zn schaffen.
Man kennt die hauptsächlichen Charakterzüge, durch die sich die Rahlschule von
jener Münchener Schule unterscheidet, die unter ihrem hochverdienten Haupte Karl Piloty
für Mitteleuropa, ja auch für Amerika so viele treffliche Künstler erzogen hat. In der
ersteren war die Allegorie beliebt; als Hauptziele waren für die Composition der Reiz und
Schwung der Linie, für die Farbe der Goldton der alten Meister gesteckt. Dagegen war
das Herrschende in der Münchener Schule ein gewisser Grad von Realismus in der Wahl
und Behandlung des Stoffes, dabei mit einem gewissen Nachgeschmack von Romantik, aber
immerhin größerer Echtheit des Costüms und archäologischen Elements. Diesen Bestrebungen
sind auch die Piloty-Schüler ungarischer Abstammung treu geblieben, unter ihnen als die
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Volume 12
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (3)
- Volume
- 12
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.49 x 21.91 cm
- Pages
- 626
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch