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ihrer ungarischen Schüler nur wenig Spuren hinterlassen. Ein augenfälliger Beweis
dafür ist Waldmüller, der hochbegabte Bahnbrecher des Realismus in Österreich. Einer
seiner ungarischen Schüler, Michael Zichy, ist ein ausgezeichneter, zu großem Ruhm
gelangter Künstler, der jedoch in seinen größer angelegten Schöpfungen, im Gegensatz zu
seinem Meister, bis an das Extrem der absoluten Gedankenmalerei vordrang. Man
erinnert sich ja an die großen Kompositionen: „Todtentanz", „Sphinx", „Die Waffen des
Dämons" u. s. w., alle voll mit Abstraktionen und erläuterungsbedürftigen philosophischen
Räthseln; der geistreichelude Inhalt macht sich da mitunter auf Kosten der edlen Form
geltend. Daß er, bei dieser blendenden Richtung, auch Werke von großer Wirkung zu
schaffen vermag, die im Gedächtniß haften, geht denn doch auf die streng realistische Schule
zurück, in der er den Grund zu seiner später so hochentwickelten Zeichenkunst legte. Diese
macht ihn zu dem großen Künstler, dessen Salonscenen, Skizzen von Hosjagden, poetische
Illustrationen durch Phantasie und reizvolle Eleganz fesseln, ja entzücken. Michael Zichy
lebt seit langer Zeit als beliebter Maler des russischen Kaiserhofes in St. Petersburg.
Dabei steht er jedoch in reger Verbindung mit seiner Heimat, deren gegenwärtige Knnst-
produetiou er von Zeit zu Zeit, wenigstens durch Illustration vornehmer literarischer
Werke (Madächs „Tragödie des Menschen", Petöfis Gedichte u. A.) bereichert. Auch das
vorliegende Werk verdankt ihm die Zeichnungen zu dem Aufsatz über die altmagyarischen
Sagen im ersten Bande.
Ein bemerkenswerther Waldmüller-Schüler ist noch Victor Madaräsz, der sein
schönes Talent später längere Zeit in Paris, unter Eogniet, weiterbildete. Aus seinen
von radicalem Geiste durchdrungenen und daheim mit großer Anerkennung aufgenommenen
Historienbildern spricht schon die französische Schule. Seine Künstlerlaufbahn schien
einer schönen Zukunft entgegenzugehen, aber die langsame Entwicklung der heimischen
Kunstzustände verstimmte ihn dermaßen, daß er vor einigen Jahren dem Schaffen
entsagt hat.
Das Gegentheil dieser Empfindung zeigt uns Michael Mnnkäcsy, der an der
Hobelbank schwärmende Jüngling, der sich aus einem Labyrinth socialer Hindernisse zur
Höhe des Künstlerthnms emporarbeitet und nun seit zwanzig Jahren einen Ruhm Ungarns
bildet. Der erste Unterricht und die den Umständen entsprechende Unterstützung, deren er
in den Jahren des Anfangs daheim theilhaftig wurde, reichten gerade hin, um sein Talent
einigermaßen bekannt zu machen und auch seine öffentlichen oder privaten Förderer zur
Geduld zu stimmen. Man kann nicht eben behaupten, daß die volle Kraft seiner hervor-
ragenden Begabung sich gleich anfangs bekundet hätte; andererseits aber steht fest, daß
die einzelnen Stadien seiner Entwicklung den Einfluß der Schule und einzelner Professoren
nur so lange erkennen lassen, bis er nach und nach zum Vollbewußtsein der eigenen Kraft
Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Ungarn (3), Volume 12
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Ungarn (3)
- Volume
- 12
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 15.49 x 21.91 cm
- Pages
- 626
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch