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neolithischen Wohnstätten finden sich meist in Höhlen oder unter überhängenden
Felsen; in der Nähe von Rovereto und bei Vezzano entdeckte man solche sogar in den
Hohlräumen von diluvialen Gletschermühlen.
Den Gebrauch von steinernen Waffen und Werkzeugen treffen wir auch in ver-
schiedenen anderen Ansiedluugen des unteren Ctschgebietes, welche aber trotzdem einer
späteren Zeit, einem anderen Volke und einer anderen Cultur angehören. Die in denselben
gemachten Funde zeigen nämlich eine auffallende Übereinstimmung mit jenen in den Pfahl-
dörfern der Po-Ebene, den sogenannten Terramaren; namentlich begegnet uns auch hier
der für die Terramare so charakteristische halbmondförmige Aufsatz an den Gefäßhenkeln,
die ansu luriaw der italienischen Archäologen. Die Cultur dieser neuen Ansiedler war
zwar auch noch eine recht primitive, aber sie erhebt sich hoch über jene der nomadisirenden
Jäger- und Hirtenstämme der neolithischen Zeit durch zwei Momente: die Terramare-
bewohner kannten bereits den Erzguß und zweitens trieben sie Ackerbau und hatten
feste Wohnsitze. Die Pfahldörfer der Po-Ebene sind, wie W. Helbig überzeugend
nachgewiesen hat, von den Jtalikern unmittelbar nach ihrem Eindringen in die apenninische
Halbinsel gegründet worden. Durch diese Proto-Jtaliker (oder Umbrer, wie man sie
nach dem Stamme, der in Oberitalien seßhaft blieb, wohl auch nennt) wurden die Ligurer
theils in den nordwestlichen Winkel der Halbinsel, der noch heute ihren Namen führt,
verdrängt, zum Theil aber unterworfen und afsimilirt. Eigentliche Terramaren sind
allerdings in Tirol bis jetzt nicht mit Sicherheit constatirt, sowie auch von Pfahlbauten
im engeren Sinne nur undeutliche Spuren vorhanden sind.
Die in Rede stehenden Ansiedlnngen der ältesten Bronzezeit finden sich auf
Anhöhen und an den Abhängen des Gebirges. Demuugeachtet müssen wir sie unbedingt
den Proto-Jtalikern zuschreiben, denn wir treffen ganz analoge Siedlungen auch nördlich
vom Po auf den Vorhöhen am Fuße der Alpen, und zwar ist es bezeichnend, daß
in denselben die Waffen und Geräthe aus Stein gegenüber denen aus Bronze über-
wiegen, während in den Pfahldörfern der Emilia das Umgekehrte der Fall ist. Offenbar
standen die Jtaliker bei ihrer Einwanderung in die apenninische Halbinsel noch auf
einem ziemlich niedrigen Culturniveau und erst nach längerem Aufenthalte in der
Po-Ebene gelangten sie zu höherer Gesittung und gingen anderseits im oberitalischen
Seengebiete und in den sumpfigen Niederungen zum Pfahlbausystem bei der Anlage
ihrer Wohnungen über.
Auch im nördlichen Tirol sind an den Abhängen der Mittelgebirgsterrassen Spuren
primitiver Wohnstätten gefunden worden, welche derselben Zeit und ungefähr derselben
Culturstufe angehören wie die Siedlungen im Süden des Landes. Ob auch ein ethnischer
Zusammenhang mit diesen besteht, läßt sich vorderhand noch nicht bestimmen.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Volume 13
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Tirol und Vorarlberg
- Volume
- 13
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.12 x 23.1 cm
- Pages
- 624
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch