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Auf lichter souuennaherHöhe lagen meist auch die Heiligthümer unserer rhätischen
Urahne«, denn nirgends regt ja die Natur unmittelbarer zum „Höhencultus" an als
zwischen den himmelaufstrebenden Alpengipfeln. Auch im einsamen Walde, dessen
Dämmerlicht und geheimnißvolles Rauschen die Nähe der Gottheit ahnen ließ, befanden
sich Cultusstätten. An den Wänden der meist aus Holz gezimmerten, selten gemauerten
Tempelchen oder an den nahestehenden Bäumen hängte der hilfesuchende Waller roh-
geformte Bilder von Thieren, Menschen und menschlichen Gliedmaßen, aus Bronzeblech
geschnitten oder aus Eisen geschmiedet, auf (S. Zeno und Mechel in Nonsberg) und
zündete Lampen mit vielen im Kreise gestellten Dochten (Symbol des Sonnenrades) als
Lichtopfer an (Obermauern bei Virgen). An diesen alten Cultusstätten erheben sich jetzt
häufig Wallfahrtskirchen, Calvarienkapellen und Wetterkreuze und an die Stelle der
heidnischen Votivbilder und Lichtopfer sind christliche getreten, die selbst in ihren Formen
noch vielfach an die uralten Vorbilder erinnern.
Das Handwerk der rhätischen Bevölkerung stand bereits auf einer verhältnißmäßig
hohen Stufe. Über die Töpferei sind wir durch die Urnenfriedhöfe, deren zahlreiche und
verschiedenartige Gefäße durchaus locales Fabrikat waren, sehr gut unterrichtet. Technisch
war dies Gewerbe allerdings noch nicht sonderlich entwickelt. Von der Verwendung der
Töpferscheibe findet sich nirgends eine Spur; sämmtliche Gefäße, auch die größten Aschen-
urnen, sind aus freier Hand geformt, und um dem Thon mehr Konsistenz zn verleihen,
wurde ihm grober Sand beigemengt. Die Gefäße sind an der Oberfläche mit spatelförmigen
Instrumenten geglättet und gar nicht oder nur leicht gebrannt. Bemaluug kommt niemals
vor, noch weniger natürlich Glasur; die kleineren Gefäße sind häufig durch Beimischung
von Kohlenstaub in den Lehm, seltener mittelst Graphit schwarz gefärbt. Anderseits
überraschen die Gefäße durch Mannigfaltigkeit und Schönheit der Formen und den
Reichthum an Ornamenten. Unter den eigentlichen Aschenurnen ist besonders jener Typus
hervorzuheben, bei dem der breitausladende Halsrand durch gedrehte Säulchen gestützt
wird, während der Urnenkörper mit von innen herausgedrückten Buckeln, um welche
coneentrifche Rillen laufen, und mit reichem Linienornament geschmückt erscheint. Sehr
zierlich geformt und geschmackvoll deeorirt sind die becher- und krugähnlichen Beigefäße,
bei denen außerdem die Feinheit und gleichmäßige Dicke der Wandung unsere gerechte
Verwunderung erregt, wenn wir uns erinnern, daß dieselben nicht auf der Drehscheibe
gefertigt sind.
Von den Erzeugnissen der Textilknnst sind uns nur spärliche Gewebeabdrücke in
dem Roste der metallischen Beigaben erhalten. Doch treten deutlich gröbere und feinere
Stoffe, wahrscheinlich von Wolle und Leinen heraus, ebenso lassen sich verschiedene
Musterungen und Webearten unterscheiden.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Volume 13
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Tirol und Vorarlberg
- Volume
- 13
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.12 x 23.1 cm
- Pages
- 624
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch