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Bei zusammenfassender Würdigung der Fundergelmisse drängt sich von selbst die
Frage auf: wer waren die Bewohner Tirols in der ausgehenden Bronze- nnd
der älteren Eisenzeit, welcher Völkergruppe sind sie zuzuweisen? Die Urgeschichts-
forschnng mnß sich dieser ethnologischen Frage gegenüber vorderhand noch etwas reservirt
verhalten und eine abschließende Beantwortung derselben ist aus Grnud des gegenwärtig
vorliegenden Fundmaterials noch nicht möglich. Doch können immerhin einige Haupt-
punkte bereits als gesichert angesehen werden.
Die römischen und griechischen Quellen bezeichnen die Bewohner der östlichen
Schweiz und von Tirol als „Rhäter". Dieser Collectivname ist für die ethnologische
Bestimmung ebenso bedeutungslos wie der moderne Ausdruck „Tiroler". Es steht fest, daß
Tirol bereits während der Hallstatt-Periode von mehreren, nach Sprache und Gesittung von
einander verschiedenen Völkern bewohnt wurde. Auf eiue gemischte Bevölkerung deutet
schon das Nebeneinandervorkommen von Brand- und Skeletgräbern iu mehreren Urnen-
friedhöfen. Die dauernde Seßhaftigkeit von zwei Stämmen ist übereinstimmend bezeugt
durch die Grabfunde, die Inschriften, die Orts- und Flurnamen des Landes, sowie durch
die Angaben glaubwürdiger autiker Autoren. Das waren einerseits die Etrusker und
anderseits die illyrischen Veueter. Eine scharfe Abgrenzung der beiderseitigen Wohn-
gebiete ist vorderhand nicht möglich. Neben und zwischen ihnen behaupteten in den
entlegeneren Thalgebieten auch noch Reste der bronzezeitlichen Ansiedler ihre nationale
Eigenart, und es dauerte gewiß lange, bis sie von den neuen Einwanderern und ihrer
überlegenen Cultur völlig absorbirt wurden.
In den letzten Jahrhunderten v. Chr. drang dann von Westen her ein neues Volk
ins Land, die Gallier. Ihnen werden die Fnndobjeete aus dem Formeukreise der
La T'ene-Cultur zugeschrieben. Charakteristische Erzeugnisse der La Tene-Periode,
wie namentlich die eingliedrigen Fibeln mit zurücktretendem Schlußstück, das lange
schmale Eisenschwert in eiserner Scheide, Lanzenspitzen von Eisen :e., sind in den ver-
schiedensten Theilen des Landes gefunden worden. Vielfach handelt es sich dabei gewiß
nur um gallische Culturbeeinflussung infolge von Handelsbeziehungen. Einzelne größere
Fuude aber lassen auf eine seßhafte gallische Bevölkerung schließen, wie das Gräberfeld
mit einheitlichem La Tene-Jnventar am (üol 6e tkam bei St. Ulrich im Grödnerthal.
Das waren die Völker und die Culturschichten, auf welche die Römer stießen, als
sie am Beginn unserer Zeitrechnung in Rhätien eindrangen und das Land im raschen
Siegeslauf unterwarfen. Der römischen Herrschaft und ihrem rücksichtslos nniformireuden
Verwaltungssystem gegenüber konnte sich die frühere Cultur auf die Dauer nicht halten.
Aber noch lange finden sich Spuren altheimischer Formgebung in den provinzialrömischen
Typen der späteren Grabinventare.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Volume 13
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Tirol und Vorarlberg
- Volume
- 13
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.12 x 23.1 cm
- Pages
- 624
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch