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„Höllenmäuerl", die Fläche auf dem Hals desselben das „Plattete". Im Oberinnthal ist
in die Mauer neben dem Ofen noch „das Kamin" eingefügt mit einem Eisenblech. Darinnen
flackert an den langen Winterabenden ein duftendes Kranewitfeuer, um das Kinder und
Ehehalten (Gesinde) pfeifenschmauchend sitzen, während der Hausvater oder der „Nöui"
Märchen und Geschichten zum Besten gibt. Die übrige Gesellschaft sitzt dabei auf den
Bänken, die fast um die gauze Stube an den Wänden herumlaufen. Der Raum unter
diesen Bänken gilt als Rumpelkammer. Da liegt das Pfannholz, das Tabakbrettchen, das
Tabakmesser, der Hauffameu für die Vogel, wenn solche da sind, sammt dem Quetschstein.
Auch sind einige Behälter da, in deren einem der Bauer die Ketten, Stricke, Fußeisen
und Schneereifen liegen hat; aus dem anderen lugen Milchschüsseln und „Stotzen" hervor.
Eine dritte kleine Abtheilung oder Lade enthält die Schulbücher der Kinder. Die Bibliothek
der Erwachsenen, meist bestehend aus Goffines Evangelien, einem alten Legendenbuch,
Pater Kochems Lehr- und Exempelbuch, zu denen oft noch des „Schäfers Thomas populäre
Vieharzneykunde" hinzukommt, hat ihren Platz entweder auf dem Milchkasten oder auf
einem Brett über der Thür. Der Kalender hängt zur bequemen Handhabung an einem
Nagel in der Nähe des Eßtisches. Die zwei übrigen Stubenecken haben ebenfalls ihre
Bestimmung. In einer befindet sich der Uhrkasten, in dem eine alte rauchgeschwärzte
Schwarzwälderuhr ihren eintönigen Pendelschlag mißt, in der zweiten steht der Milchkasten,
ebenso bunt angestrichen wie der Tisch. Er ist vorn offen, nur mit eiuem Vorhang gegen
die Fliegen versehen und hat im Innern querlaufeude Brettchen, auf welche die Milch-
schüsseln nebst Rahmgefäß und Milchseige gestellt werden. Zur Einrichtung der Stube
gehören noch ein oder zwei Scheibenstutzen und wohl auch eine Flinte, welche an der
Wand ihren Platz haben. Gewiß fehlt aber in keiner Bauernstube ein Krummschnabel,
der in engem Drahtkäfig an der Zimmerdecke hängt, weil er nach altem Volksglauben alle
Krankheiten an sich ziehen soll. Auch andere Vögel hält man gern, besonders im Oberinn-
thal. Im Winter läßt man sie frei in der Stube herumfliegen, denn mit dem Entkommen
hat es keine Noth, da den ganzen Winter kein Fenster geöffnet wird. Was sich infolge
dieser unsinnigen Gepflogenheit aus dem Dampf feuchter Wäsche und Lodenjoppen, die
am heißen Ofen trocknen, aus Speisengeruch und dem Dampf schlechten Tabaks für eine
Atmosphäre entwickelt, läßt sich leicht denken. Dazu kommt noch, daß man Schwerkranke
meist in die Stube bettet, weil diese das einzige heizbare Loeal ist. Das Schlimmste aber
ist nun, daß diese ganze Ausdünstung durch das Loch, das sich gewöhnlich über dem Ofen
an der Zimmerdecke befindet, in die bäuerliche Schlafkammer des ersten Stocks hinauf-
geleitet wird. Solche Umstände lassen es begreisen, warum ansteckende Krankheiten, wie
Blattern, Typhus zc. auf dem Lande, und zwar besonders auf Berghöfen so furchtbar
wirken.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Volume 13
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Tirol und Vorarlberg
- Volume
- 13
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.12 x 23.1 cm
- Pages
- 624
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch