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Gefährten am feurigen Naß gütlich thut. „Fensterlen" geht in der Regel nur der Bursche
allein, der mit einem Mädchen ein erklärtes Verhältniß hat. Es ist das immer ein gefährliches
Unternehmen, besonders wenn das EinVerständniß bereits ein inniges ist und der Liebhaber
zur Geliebten in die Kammer schlüpft. Der bissige Haushund, wie der zornige mit Stock
oder Ochsenziemer bewaffnete Bauer bedrohen den nächtlichen Eindringling, wie drollige
Volkslieder in drastischer Weise schildern. Dauert ein solches Liebesverhältniß jahrelang
fort, so bleibt es fast nie ohne Folgen und das gefallene Mädchen muß dann besonders
in jenen Thälern, wo man es mit Zucht und Sitte strenger nimmt, im vollen Sinn des
Wortes erfahren, wie „Liebe mit Leide lohnt". Bitterer gestaltet sich noch die Lage, wenn,
wie es häufig der Fall, der Liebhaber des Mädchens überdrüssig wird und sie verläßt.
Viele Volkslieder schildern in ergreifender Weise das Weh der Getäuschten. Hält er aber
treu zu ihr und gestatten es die Verhältnisse, so macht der Bursch mit der Geliebten richtig
und es gibt lustige Hochzeit.
Eine Bauernhochzeit — wir sprechen selbstverständlich nicht von einer sogenannten
stillen, sondern von einer echten und rechten, wobei der rothe Wein in Strömen fließt und
sich beim Mahl die eschenen Tische biegen — ist nicht nur für das Haus, fouderu auch
für das ganze Dorf ein wichtiges Ereigniß. Der Bauer liebt es, diesen folgenreichsten Tag
seines Lebens mit allem möglichen Glanz zu feiern; selbst der sparsame Oberinnthaler
bleibt in dieser Beziehung nicht zurück. Im heitern Zillerthal beträgt die Zahl der geladenen
Gäste oft 300 bis 500. Hier herrscht allerdings die schöne Sitte, daß jeder Geladene sich
sein Essen selbst bezahlt und daneben noch bei seinem Erscheinen fünf Zwanziger oder
Gulden „weist", auf welche Art dem zu gründenden Hausstande ein ganz ansehnliches
Heiratsgut zufällt.
Sobald nun der Festmorgen heraufdämmert, weckt das Krachen der Pöller das
Brautpaar und das ganze Dorf. Beiläufig um acht Uhr beginnen die Feierlichkeiten, und
zwar gewöhnlich mit der Morgensuppe. Die Sitte schreibt da fast in jedem Thale etwas
Anderes vor. Im Unterinnthal thun sich die Hochzeitlente im Hause der Braut bei Nudel-
suppe und Würsten gütlich, während der Bräutigam beim Wirth seines Heimatdorfes auf
den Hochzeitszug wartet. JnPaznann versammeln sich die „Spansa" und der „Späusliug"
(Braut und Bräutigam), erstere mit ihrer G'spanin, letzterer mit seinem G'span, und alle
Geladenen in einem bestimmten Hause, von wo ans sie den Auszug halten wollen. Im
Pusterthal sind bei der Braut die Weiber, beim Bräutigam die Männer zu Gaste. In
Gröden und Proveis versammeln sich einerseits die Verwandten der Braut mit dem
Brautführer und dem „Vorjüngling" (Bruder der Braut) im Hause derselben, anderseits
die Verwandten des Bräutigams in seinem Hause. Hat man sich nun an der Morgensuppe
gelabt und ist die Braut zum Kirchgaug bereit, was etwa um 10 Uhr vormittags der
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Volume 13
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Tirol und Vorarlberg
- Volume
- 13
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.12 x 23.1 cm
- Pages
- 624
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch