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Tirolergesanges, und wer noch frische Volkslieder hören will, muß in diese zwei lebens-
lustigen Thäler gehen.
Träger des Volksgesanges sind in erster Linie die „Buben", wie die jungen Burschen
Hierlands heißen. Sie sind anch meist die Dichter der Texte hierzu. Gewöhnlich finden sich
mehrere solche „Singer" zusammen und bringen die Lieder mit einer Virtuosität zum
Vortrag, daß mau gut geschulte Säuger vor sich zu haben glaubt. Hierbei sind die
Stimmen so vertheilt, daß eine in der Fistelstimme die „Weise" trägt und die anderen
secnndiren. Nur iu der Lieuzer Gegend nähert sich die Art des Liedervortrages mehr der
des benachbarten Kärntens, wo der Bariton die Hauptweise trägt. Charakteristisch für den
Tiroler Volksgesang ist der Jodler, auch Lurler oder Ludler genannt, welcher, man kann
sagen, fast jedes weltliche Lied begleitet und aus dem oft geradezu das Hauptgewicht liegt.
An Gelegenheit zu singen, fehlt es nicht. Der abendliche Heimgarten wie die lärmerfüllte
Tanzstube, die stille Dorfgasse wie die grüne Hochalm und das Bergmahd wiederhallen vom
Trutzlied der Burschen, wie vom Gesang der Almleute.
Dem Inhalt nach muß man füglich die zwei großen Abtheilungen, weltliche und
geistliche machen.
Was die weltlichen betrifft, so tragen die meisten episch-lyrischen Charakter. Rein
episch sind nur einige Wildschützenlieder, darunter das vielstrophige: „Es zogen neun
Schützen ins Elmau hinein", das in der Gegend von Lermoos spielt und noch gesuugeu
wird, sodann einige Almenlieder, wie das weitverbreitete: „Wenn's amal schön aper werd,
Und auf der Alma grün". Hierzu muß man auch noch eine ziemliche Anzahl alter Lieder
von balladenartigem Charakter rechnen, welche nicht in der Mundart gedichtet sind,
sondern im Schriftdeutsch und so auch noch gesungen werden. Dazu gehören unter Anderem
das weitverbreitete Blaubartlied „Es fuhr (ritt) ein Ritter wohl über das Gries (Ried)",
oder „Straßburg, Straßburg, du wunderschöne Stadt" oder „Es wollt' ein Mädchen früh
aufstehen". Die anderen weltlichen Lieder theilen sich stofflich in solche, welche die Herrlich-
keiten des Almenlebens und der älplerischen Liebe preisen, sodann in Jäger- und Wild-
schützenlieder, welche das Lob des „Wilderns" enthalten und woran sich meist die Prellerei
der Jäger durch Wildschützen schließt. Manche derselben sind ungemein launig, wie z. B.:
„I bi' halt a Wildschütz, a lebfrischer Bua".
Den Hauptstock liefern natürlich die Liebeslieder. Wenn sie nicht in Form von
Almen- und Wildschützenliedern auftreten, so erscheinen sie fast ausschließlich im Gewände
des „Schnaderhüpsels". Diese beweglichen Vierzeiler oder richtiger gesagt Zweizeiler mit je
vier Hebungen bilden die Form, in welcher das Volk, man kann sagen, die ganze Stufen-
leiter seiner Gefühle, wie nicht minder seine ganze Lebens- und Weltanschauung ausprägt.
Die Geburtsstätte der „Schuaderhüpfelu" ist neben dem Heimgarten vor Allem der Tanz-
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Volume 13
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Tirol und Vorarlberg
- Volume
- 13
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.12 x 23.1 cm
- Pages
- 624
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch