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Tiroler Schnaderhüpfel gegenüber den ähnlichen Liedchen der anderen Alpenländer dnrch
eine urwüchsige Kraft und Frische aus, weuu es auch nicht die Innigkeit des kärntnerischen
Pläpperliedchens besitzt. Daneben macht sich häufig ein humoristischer Zug, sowie eine
gewisse Spottlust geltend, welche sich selbst an das Ehrwürdige wagt.
Dieser Drang zu spotten, der dein Tiroler stark innewohnt, zeigt sich auch iu größereu
selbständigen Liedern, mögen dieselben nnn als „Buchstabill" (Pasquill) ein Dorf in
Allarm bringen oder als selbständige Lieder gesungen werden. Ich erinnere mir z. B. an
das berühmte „Oansigllied", das die Versuchung eines frommen Einsiedlers durch den
Bösen zum Inhalt hat:
Andere sind „Der Simerl hat zum Nachbar g'sagt" oder das weitverbreitete „Der
Fensterstock", das schon erwähnte „Sterzingermooslied", die „Sennerinbeicht", „das
Altejungfernlied" ?c, zc.
Die geistlichen Lieder sind theils solche, welche sich aus allgemeine kirchliche Fest-
zeiten, wie Lichtmeß, Ostern, Weihnachten und Dreikönig beziehen, theils Lieder und
Lobgesänge zu Ehren der Heiligen oder solche, die allgemeineren religiösen oder morali-
sirenden Charakters sind und von Vergänglichkeit, Tod und Ewigkeit handeln. Die Menge
derselben ist sehr groß. Sie schreiben sich, wie sich leicht nachweisen ließe, fast sämmtlich
aus jener Zeit her, da in Tirol, wie anderswo in den Alpen, noch der reine Kirchengesang
auf dem Lande allgemein üblich war. Jetzt haben Orgel und Chorgesang die frühere
Art der musikalischen Feier verdrängt. Während nnn aber die meisten der geistlichen
Lieder so ihre eigentliche Unterlage verloren uud, wie z. B. im Oberiunthal, nurmehr
bei profanen Gelegenheiten, besonders beim abendlichen Heimgarten gesungen werden,
erhielten sich die Weihnachts- und Dreikönigslieder bis in die neueste Zeit als Theile der
Kirchenmusik.
Dies gilt besonders von den erstgenannten. Sie machen den Hauptstock aus uud
werden von den Kirchensängern noch alljährlich entweder in der heiligen Nacht bei der
Christmette oder am Weihnachtstag während des Amtes, meist beim Offertorium, gesungen.
Bis iu die Dreißiger-Jahre betheiligte sich auch das Volk an diesem Gesänge in der heiligen
Nacht, ja noch vor drei bis vier Jahrzehnten begleitete die Jugend das vom Chor herab-
klingende Hirtenlied mit kleinen Ratschen, Kinderklappern und Mispeln (Kinderpfeifchen,
mit denen man den Gesang der Vögel nachahmt), um dem Texte des Liedes die ent-
sprechende dramatische Verstärkung zu geben.
Wachst nix als Boscheil
Und Stoanmies dabei.
Dort oben aus der Hech,
Js an Oansiedlerei, A Klausner is drin,
Ter recht christla lebt,
Werschd (wird) alleweil friimmer,
Weil er Tag und Nacht bet't u. s. w.
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Volume 13
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Tirol und Vorarlberg
- Volume
- 13
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.12 x 23.1 cm
- Pages
- 624
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch