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folgt im Etschthal meistens rasch, ohne eigentliches Frühjahr, der heiße Sommer. Da
hat der Bauer Arbeit in Hülle und Fülle, er muß die Reben beschneiden, pflügen und
säen, besonders aber die heikeln, viel Laub verzehrenden Seidenwürmer hegen und pflegen
wie verzärtelte Schoßkinder, bis sie endlich, wenn Alles gut geht, nach viermaligem Schlafe
auf den Bosco, das ist die Reisigbündel, kommen und sich einspinnen. Dann löst man
die Gespinnste sorgfältig ab, scheidet sie aus und kümmert sich auch um Bereitung neuen
Samens. Ist Alles gut gegangen und gibt es gute Preise, dann zeigen Herr und Bauer
fröhliche Gesichter, dagegen aber verdrießliche, wenn die Zucht schlecht ausgefallen ist
oder ganz fehlgeschlagen hat.
In den heißesten Monaten sucht auch mancher Signore mit seiner Familie eine näher
oder ferner gelegene Sommerfrische auf. In derselben pflegt er gegen halbwegs Bekannte,
selbst gegen Deutsche, sehr liebenswürdig und gastfreundlich zu sein, während er im Winter
in der Stadt Grüße nur frostig uud gemessen erwiedert. In der frischen freien Bergluft
war ihm das Herz aufgegangen, die Stadtluft hat es wieder zusammengeschnürt.
Es kommt der Herbst, die freudenreichste und, wenn nicht abnorme Witterungs-
verhältnisse herrschen, auch die auf lange hinaus schönste Zeit des Jahres. Da beginnt der
Vogelfang, man muß leider sagen, der große Massenmord der Vögel. Da lauert der
leidenschaftliche Vogelsteller auf seinem Vogelherde (i-vecvlo) unermüdlich vom frühen
Morgen bis zum späten Abend, vom Anfang des Herbstes, bis ihm beim anbrechenden
Winter Frost uud Kälte die Glieder schüttelt, unaussprechlich glücklich, wenn die Zahl der
Opfer an besonderen Glückstagen in die Hunderte steigt. Er richtet sein Augenmerk auch
auf die Witterung; wenn es kühler wird und auf den Gebirgen und im Norden gar schneit,
spannen sich seine Fibern — denn nun müssen sie kommen, die dichten Schwärme, welche
er schon lange zuvor im Traum gesehen. Gefangen und gewürgt wird Alles, was in die
Netze fällt, Drosseln, Zeisige, Lerchen, Finken u. s. w. Vor den meisten Kaufladen, auch
wenn sie Anderes als nur Eßwaareu führen, sowie an den Ständen der Obstweiber auf
den Marktplätzen hängen die armen gefiederten Sänger schockweise eng zusammengeschnürt
zum Verkauf aus; lüsterner als nach den schönen Pfirsichen und Trauben blickt auch der
Ärmste darnach und gedenkt sich auch einmal einen guten Tag anzuthun. Die Vögel werden
gerupft und gebraten, auch iu Bergen von Polenta eingebacken und verschmaust. Man
weidet sie zuvor uicht aus; auch die Käferlein, Fliegen und Würmlein, welche die Vögel
im Magen haben, werden mitverspeist. Thut nichts, es ist ja Alles gebraten! In den Gast-
nnd Kaffeehäusern gehen Verkäufer mit einem Schock todter Vögel herum und setzen
Lottonummern ab; sobald die 90 Zahlen voll besetzt sind, wird gezogen, und meistens
beeilt sich der glückliche Gewinner, gute Freunde und Bekannte zu einem fröhlichen Abend-
schmaus, zu einer eena einzuladen. In den Campagne und in den Laubwäldchen an den
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Volume 13
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Tirol und Vorarlberg
- Volume
- 13
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.12 x 23.1 cm
- Pages
- 624
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch