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in Fassa in völlig theatralischer Weise, kommt es vor, daß man dem Bräutigam, wenn er
die Brant aus ihrem Hause abholt, unter allerlei Vorwänden die Thür versperrt und
ihm wirkliche oder verkleidete alte Weiber, dann anch Mädchen vorführt, die er natürlich
ausschlägt, bis endlich die rechte kommt und von ihm umarmt wird.
Wenn in Rendena die Brautleute zum Altar treten sollen, zieht der Führer des
Bräutigams, eompars äeli' annello (Gevatter des Ringes) genannt, ein schön gesticktes
weißes Tüchlein hervor, reicht der Braut einen Zipfel uud führt sie so zum Altar und
ebenso nach vollzogener Trauung auf ihren Platz zurück, wobei das Tüchleiu in ihrer Hand
bleibt. Es folgt ein Mahl im Hause der Braut uud daun der Umzug iu das Haus des
Bräutigams. An der Schwelle desselben wird die Braut vom jüngsten weiblichen Mitglied
des Hauses empfangen und ihr ein Glas Wasser gereicht. Dies ist eine abgeschwächte alte
Sitte; denn früher war es ein Becken voll Wasser, die Braut mußte sich die Hände
waschen uud ein Geldstück in das Becken legen. Ein schöner Zug ist es, daß die Neu-
vermählten abends, bevor sie sich zu Bett begeben, für die abgeschiedenen Seelen ihrer
beiderseitigen Verwandtschaft beten müssen. Bei dem am nächsten Tag folgenden Mahle
wird die Nüchternheit des jungen Ehemanns auf die Probe gestellt. Nachdem schon lange
gegessen und getrunken worden ist, reicht die Mutter der jungen Frau dem jungen Ehe-
mann ein behutsam umgestürztes Glas Wein auf einem Teller. Nimmt er es, wenn er
selbst schon dem Wein zugesprochen hat, unachtsam und fließt der Wein aus, so folgt
Gelächter mit ungünstigen Bemerkungen. Wendet er aber Glas und Teller behutsam
um und bringt so mit vollem Glase das Wohl der Gäste aus, so erhält er lärmeudeu
Beifall und das junge Ehepaar wird beglückwünscht.
Das Entführen der Brant und die Absperrung des Weges vor dem herankommenden
Brautzuge ist wie anderwärts noch da und dort zuweilen üblich. Auch wenn die Braut
aus einem anderen Dorfe ist als der Bräutigam, so wird ihm, wenn er sie abholt, gern
der Weg versperrt und er muß mit Weinspenden sich lösen.
Dieser letztere Fall gibt in Fassa Anlaß zur sogenannten Baschia, einer höchst
ergötzlichen Volkscvmödie, welche Herr Felix Valentini im Annuario der Trideutiuer
Alpinisten von 1886 sehr anschaulich beschrieben hat. Will der Bräutigam mit der Braut
aus deren Dorf abziehen, so werden sie sammt ihrem Gefolge von einem Finanzbeamten
und seinen Wachen verhaftet und anf einen Platz geführt, wo auf einer Bühne ein Präsident
mit seinen Beamten sitzt. Auf einer nahen Anhöhe sind phantastisch verkleidete Soldaten
zu sehen, welche aus Fässern oder Mörsern gleichwie aus Kauouen Rauch auspusteu
lassen, mit Pfählen und Bindfaden Telegraphenleitungen herstellen, Locomotiven hin- nnd
herschieben und andere ergötzliche Spiele treiben. Vor dem Präsidenten wird der
Bräutigam von einem Harlekin angeklagt, daß er, ohne Zoll zu bezahlen, dem Staate ein
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Volume 13
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Tirol und Vorarlberg
- Volume
- 13
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.12 x 23.1 cm
- Pages
- 624
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch