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niedergelegten Bürde Holz sehnsüchtig auf einen Käufer wartet? Er ist vielleicht schon um
zwei Uhr oder uoch früher aufgestanden und hat einen weiten rauhen Bergweg zurückgelegt.
Seiu Gewand hat eine unbeschreibliche Farbe, aber der schäbige kurze Cylinderhut, den
er heute etwa zufällig trägt, ist sicher ein Erbstück, welches einst sein Vater und Großvater
an hohen Festtagen mit prunkendem Stolz getragen haben. Es verinnt Stunde an Stuude,
endlich hat er einen Käufer gefunden. Nun kauft er sich selbst Poleutamehl, vielleicht auch
Brot und Käse oder schmaust, schon halbwegs ein Verschwender, etwa gar noch auf einem
grünen Feigenblatt-Teller um zwei Kreuzer „pvina, pvina ii-esca" (Milchlab), welche
ein Älpler eben zum Verkauf in die Stadt gebracht hat. Dann aber hängt er behende
seine Holzschuhe an einem Stock auf den Rücken und wandert wieder thaleinwärts. Die
Holzschuhe legt er erst an, wenn der Weg gar zu rauh wird. Er hat sichtlich große Eile,
denn die Seinigen warten zu Hause aus die Poleuta; auch hat er heute noch Arbeit und
muß sich auch ein Holzbündel zurechtlegen, um morgen früh den gleichen Tageslauf
wieder zu beginnen.
Nun will aber das auch in Wälschtirol von Eitelkeit nicht ganz freie schöne Geschlecht
der Töchter Evas sich loben lassen, weil es am Alteu treuer festhält als das unzarte
Geschlecht der Söhne Adams. Dieses Lob kann leider nur spärlich bemessen werden;
schieben wir die Schuld auf die wohlfeilen Baumwollzeuge, die sich leichter uud angenehmer
tragen als die alten schweren wollenen Röcke und Jacken. Halbwegs bleiben noch die
Ladinerinnen mindestens an einzelnen älteren Trachtstücken erkennbar; bei den Fassane-
rinnen ist die frühere weibliche Tracht mit Aufputz zur Festtagstracht geworden und jetzt
so gut wie verschwunden. Nur die Tesiuerin bewahrt uoch eiue Festtagstracht, welche
höchst bunt an Farben und auffällig ist. Ich will, so gut ich vermag, dem Leser eine solche
vorführen nach der Beschreibung, welche Herr Santo Fietta-Ehioli in seinen .^oti-io
stvrico-eritieke intorno a l'esino" (Borgo in Valfngana 1878) davon gegeben hat. Acht
große schwarze Locken hängen rechts und links von der Stirue herab, während die anderen
Haare des gescheitelten Hauptes über dem Nacken ein becherartiges Flechteugewinde
bilden. Die geschlängelten Ohrringe sind von massivem Golde; den Hals umfängt eine
breite Korallenschnur mit goldener Schließe über einer hohen wohl geglätteten weißen
verblümten Halskrause, während rückwärts ein mit zwei Ouasteu verschlungenes Band
hängt. Schultern uud Rücken deckt dreieckig zulaufend ein großes an Farben und Ver-
zierungen reiches Seidentuch. Der Brustfleck ist mit vielen, sast phantastischen Zeichnungen
verziert, ein Gürtel von Silberplättchen ist vorn mit einer zwei Löwenköpfe darstellenden
goldenen Schnalle geschlossen. Das Hauptkleid ist vom feinsten schwarzen oder dunkel-
grünen oder blauen Tuch mit engen Ärmeln; das Bruststück wird nicht sichtbar. Die
breite Schürze zeigt solche Mischung von Farben und Zeichnungen, daß man eine Grund-
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Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
Tirol und Vorarlberg, Volume 13
- Title
- Die österreichisch-ungarische Monarchie in Wort und Bild
- Subtitle
- Tirol und Vorarlberg
- Volume
- 13
- Editor
- Erzherzog Rudolf
- Publisher
- k.k. Hof- und Staatsdruckerei, Alfred von Hölder
- Location
- Wien
- Date
- 1893
- Language
- German
- License
- PD
- Size
- 16.12 x 23.1 cm
- Pages
- 624
- Keywords
- Enzyklopädie, Kronländer, Österreich-Ungarn
- Categories
- Kronprinzenwerk deutsch